Jeder kennt ihn, keiner will ihn, und die meisten reden ziemlich schlecht über ihn: Stress. In meiner Arbeit höre ich immer wieder die gleichen Sätze über Stress. Ganz ehrlich? Ich bin es leid! Es wird also Zeit, so richtig mit den 11 weitverbreiteten Aussagen aufzuräumen. Damit du deine Sicht auf Stress veränderst und endlich gelassen bleiben kannst – egal, wie stressig es wird.
1) „Heutzutage ist doch jeder gestresst.“
Ja, es stimmt, dass wir alle gestressten Menschen in unserem alltäglichen Umfeld begegnen. Dem Partner, der besten Freundin, die Kollegen auf der Arbeit, den Kommilitonen in der Uni.
In einer Studie der Techniker Krankenkasse haben 72,5 Prozent der 18- bis 59-Jährigen Deutschen angegeben, dass sie sich manchmal bis häufig gestresst fühlen [1].
Ich wiederhole: 72,5 Prozent. Fast jeder Dritte also. Bei den 30- bis 39-Jährigen waren es sogar 82 Prozent. Das ist doch Wahnsinn!
Es ist also nicht verwunderlich, dass wir jede Menge gestresster Menschen kennen. Dass wir es schon als normal empfinden, dass heutzutage jeder gestresst ist und gelassen bleiben schwerfällt..
Aber heißt das, dass es deswegen weniger schlimm ist? Nur weil es auch vielen, vielen anderen so geht?
Ein ganz klares Nein!
- Wenn alle Menschen einen gebrochenen Arm hätten, wäre dein eigener gebrochener Arm trotzdem fies.
- Und wenn jeder einen Tinnitus hätte, wäre dein eigener Tinnitus trotzdem eine Belastung für dich.
- Auch wenn niemand auf der Welt mehr schlafen könnte, wäre dein Schlafmangel trotzdem fürchterlich.
Deinen Stress klein zu reden, weil auch andere gestresst sind, ist ein fataler Fehler.
Laut WHO ist Stress die größte Bedrohung des 21. Jahrhunderts. Es ist deine Verantwortung, dass du auf dich und deine Gesundheit aufpasst. Es liegt an dir, dafür zu sorgen, dass du gut zurecht kommst, dass es dir gut geht.
Nicht jeder Stress bedeutet gleich ein Problem. Aber wenn du Stress nicht oder nur ungünstig bewältigen kannst, kann er schnell zu einem werden.
Es liegt an dir, zu erkennen, was für dich tragbar ist. Also höre auf, auf andere zu schauen, und kümmere dich um deine Stressbewältigung.
Merke: Nur weil alle gestresst sind, heißt es nicht, dass Stress harmlos ist. Nimm dein Stressgefühl ernst.
2) „Das gehört halt dazu.“
Dieser Satz begegnet mir sowohl bei meiner Arbeit als auch in meinem Privatleben noch und nöcher. Er lässt mich immer wieder stutzen. Stress gehöre halt dazu.
Warum? Wer hat das gesagt? Und wieso glauben ihm so viele Menschen?
Verstehe mich bitte nicht falsch: natürlich kommt es immer wieder zu Stress. Das lässt sich nicht vermeiden. Und es ist auch überhaupt nicht das Ziel der Stressbewältigung, nie wieder einen Funken Stress im Leben zu haben.
Das möchte ich wirklich betonen: Stressbewältigung bedeutet nicht ein stressfreies Leben zu haben. Es bedeutet auch nicht bei schlimmen Nachrichten völlig gelassen bleiben zu können.
Stressbewältigung bedeutet z.B. ein positives Stress-Mindset zu entwickeln und konstruktiv mit Stress umzugehen.
Was ist jetzt also falsch an dem Satz „Stress gehört halt dazu“?
Was mich erschreckt, ist die Haltung dahinter, dass das Gefühl „gestresst zu sein“ ein unveränderlicher Bestandteil des Lebens sei.
Dass Menschen damit rechnen, dass sie in ihrem Leben wegen Stress leiden werden und nichts dagegen tun können. Und dass Stress apathisch ausgehalten werden muss. Als ob man ein Auto nur mit eingebauten Dauerpiepston kaufen könnte. Ist nervig, gehört aber halt dazu.
Ich für meinen Teil möchte kein Auto mit eingebauten Dauerpiepston fahren. Und ich vermute stark, du auch nicht. Also kaufst du dir kein Auto mit Dauerpiepston.
Das Gleiche gilt für dein Leben und deinen Stress. Wenn du kein Leben voller Stress willst, warum hast du dir dann eins zugelegt?
Ich weiß, das klingt jetzt hart.
Natürlich hast du nicht absichtlich dafür gesorgt, dass dein Leben dauerhaft am Piepsen ist.
- Aber eine Einstellung wie „Stress gehört halt dazu“ mündet darin, dass du Stress als normal und unausweichlich ansiehst.
- Dann lässt du ihn einfach in deinem Leben wüten.
- Du kommst vielleicht nicht mal auf die Idee, dass es andere Möglichkeiten geben könnte, wie man mit Stress leben und gelassen bleiben könnte, und machst dir Stress, der gar nicht sein müsste.
Gelassen bleiben ist eine Frage der Denkmuster
Was mich traurig macht, ist, dass es so ein weit verbreiteter Glaubenssatz ist. Über die Jahre lernen und verinnerlichen ihn Kinder durch ihre Familien, ihre Umwelt, die Gesellschaft.
Denn seien wir ehrlich, wir Deutschen sind ein arbeitsames Völkchen. Viel zu arbeiten, fleißig zu sein, hat einen enorm hohen Stellenwert. Oft wird Stress als ein Zeichen gewertet, dass man wichtige Arbeit verrichtet. Weil wichtige, wertvolle Arbeit kann ohne Stress nicht gehen.
Was ist das Resultat dieser Denkmuster, dieser Glaubenssätze?
Aus unbeschwerten Kindern werden gestresster Erwachsene.
Und das, weil uns mehr oder weniger bewusst diese Lernerfahrungen aus der Kindheit im Hinterkopf herumspuken.
Frag dich doch mal:
- Welche Glaubenssätze über Stress hast du im Laufe der Jahre übernommen und verinnerlicht?
- Ist es Zeit für neue Glaubenssätze?
- Mit welchen Glaubenssätzen könntest du endlich gelassen bleiben?
Schaue hin, welche du behalten und welche du rausschmeißen möchtest. Als aller erstes fliegt natürlich der hier raus: „Das gehört halt dazu“.
Merke: Deine Glaubenssätze über Stress entscheiden, wieviel Stress du im Leben erlebst.
3) „Das geht schon wieder vorbei.“
Wer kennt das nicht?
Du steckst in der Endphase eines Projektes. Es gibt noch 1.000 Dinge, die bis zur Deadline in der kommenden Woche gemacht werden müssen. Du läufst auf Hochtouren.
Gelassen bleiben fällt immer schwerer. Mit welchen Gedanken versuchst du dich an der Stange zu halten?
Vielleicht mit …
- „Das geht schon wieder vorbei!“
- „Ist ja nur noch eine Woche, dann ist das Projekt abgeschlossen.“
- „Nur noch die paar Tage durchhalten, dann habe ich es hinter mir.“
- „Bald hab ich es geschafft.“
- „Der Stress ist fast vorbei.“
Na, hab ich dich erwischt?
Leider sind diese Gedanken ein Trugschluss.
Was passiert wirklich, wenn das Projekt abgeschlossen und der Stress „vorbei“ ist?
Es kommt das nächste Projekt! Oder eine neue Software, in die du dich einarbeiten musst. Oder in der Uni steht ein Referat, eine Hausarbeit, eine Klausur an. Oder zuhause geht die Spülmaschine kaputt. Irgendetwas ist immer.
Kleinvieh macht auch Mist
Was neben diesen offensichtlichen Herausforderungen noch dazu kommt, sind sogenannte Mikrostressoren. Das sind kleinere Unannehmlichkeiten in unserem Alltag.
- Auf dem Weg zur Arbeit quängelt im Zug ein Baby.
- Zwei Minuten vor der Mittagspause kommt der Chef mit einer Frage an.
- Der Reißverschluss an der Winterjacke geht kaputt.
Das ist doch Kleinscheiß?
Ja, schon. Aber genau darin liegt die Relevanz von Mikrostressoren. Die meisten Menschen kümmern sich nicht um sie, da sie so alltäglich – so banal – erscheinen.
Bei großen Stressoren – du verlierst deinen Job, gerätst in einen Streit, übernimmst ein Projekt – ist es viel deutlicher, dass du dich kümmern musst. Aber gerade die Mikrostressoren sind es, die tagtäglich an dir nagen. Und nach und nach das Fässchen immer voller machen.
Gelassen bleiben, auch wenn „irgendwas immer ist“
Das ist die wichtige Erkenntnis: Stress geht nicht wirklich vorbei.
Alltägliche Unannehmlichkeiten passieren. Irgendwas ist immer. Aber hey, das ist okay! So spielt das Leben. Mit einer inneren Haltung der Akzeptanz schaust du viel entspannter auf Stress. Und nimmst dir selber Druck raus. Du kannst viel besser gelassen bleiben.
Das Entscheidende ist also, wie du stressigen Phasen begegnest und mit ihnen umgehst.
- Achte auf deinen Weitblick. Klar, kannst du mal durchpowern, um ein Projekt abzuschließen.
- Aber kannst du zwölf Projekte durchpowern?
- Zwölf Stressphasen durchstehen, nur mit der Motivation, dass „es bald ja vorbei“ ist?
Solange du nicht grundsätzlich etwas an deiner inneren Haltung, an deinem Erleben und Umgang mit diesen stressigen Phasen, änderst, wirst du dich immer und immer wieder gestresst fühlen.
Merke: Eine Stressphase geht vorbei. Aber der Stress kommt immer wieder.
4) „So schlimm ist das nicht.“
Stress ist nicht nur ein Gefühl. Viele meiner Coachingklienten klagen über körperlichen Beschwerden:
- Unruhe
- Kopfschmerzen
- Einschlafschwierigkeiten
- Konzentrationsprobleme
- Erschöpfung
- Reizbarkeit
In der Regel wird diesen Symptomen noch schnell der Satz „Aber so schlimm ist das nicht“ nachgeschoben. Die Symptome werden klein geredet, verharmlost.
Jetzt fragst du dich vielleicht: „Ja, das klingt zwar nicht besonders gut, aber ist es denn wirklich so dramatisch?“
Darauf habe ich zwei Antworten:
1) Einerseits: Nein, es ist nicht so dramatisch. Kurzfristig ist unser Körper absolut dafür ausgelegt, um mit Stress gut umgehen zu können. Wir können das.
2) Andererseits: Ja, es ist dramatisch. Langfristig können unser Körper und unsere Seele nicht gut mit akutem Stress umgehen. Schlecht gemanagter chronischer Stress ist ein immenser Risikofaktor für unsere Gesundheit und unser psychisches Wohlbefinden (lies hier über die 17 negativen Folgen von chronischem Stress).
„Ein bisschen Stress“ kann plötzlich „kein bisschen“ mehr sein
Das gefährlichste ist, dass der Übergang von „ein bisschen Stress“ hin zu „ernstzunehmendem Problem“ (Burnout, Depression, chronischer Schmerz usw.) still und heimlich passiert.
Du merkst es gar nicht, denkst „ein bisschen geht noch, so schlimm ist es noch nicht“ und plötzlich bist du mitten drin.
Zu oft habe ich das schon von meinen Coachingklienten gehört. Jedes Mal fühle ich mich wieder betroffen.
- Rede deine Symptome nicht klein.
- Höre darauf, was dir dein Körper und deine Psyche zu sagen versuchen.
Und auch wenn wir nicht direkt vom Worst Case Szenario ausgehen, solltest du deinen Stress trotzdem ernst nehmen.
Vielleicht kriegst du nicht sofort einen Herzinfarkt, aber dein Leben ist weniger freudvoll als es sein könnte. Du hast zum Beispiel keine Zeit für deine Lieblingsmenschen, die Energie für deine Hobbies fehlt, du kannst schlecht gelassen bleiben und bist ständig schlechter Laune. Willst du so wirklich leben?
Merke: Gehst du dauerhaft schlecht mit chronischem Stress um, gefährdest du deine Gesundheit.
5) „Das muss jetzt sein.“
Kommen dir die folgenden Sätze bekannt vor?
- „Die Überstunden muss ich jetzt machen.“
- „Die Aufgaben muss ich dringend fertig stellen.“
- „Meiner Kollegin muss ich helfen. Die lässt mich sonst auch nie hängen.“
- „Ich muss den Termin am Samstag wahrnehmen.“
- „Keiner sonst kann das. Ich muss das machen.“
Letzte Woche hat eine Klientin kurzfristig einen Coachingtermin mit mir verschoben. Der Grund war einer der obigen Sätze. Sie musste Überstunden schieben. Ein potentieller Kunde hatte ein neues Angebot angefragt und das musste sie direkt angehen. Ihre Wochenplanung stand danach total auf den Kopf. Die ganze Woche hetzte sie gestresst durch ihre anderen Aufgaben. Aber das musste jetzt einfach sein…
Musste es das wirklich? Als ich das meine Coachingklientin fragte, antwortete sie mit einem vehementen „Ja“. Aber natürlich, der Kunde würde das erwarten und ihr Chef auch. Sie hätte da gar keine andere Option gehabt.
Ich bin anderer Meinung.
Gelassen bleiben, indem du Lösungsoptionen findest.
Es gibt immer bestimmte Lösungsoptionen. Wir sehen sie oft nur nicht (dazu auch Punkt 7).
Insbesondere, wenn wir schon in den Stressmodus gesprungen sind und es mit dem Gelassen bleiben vorbei ist. Aus meiner Erfahrung kann ich zum Beispiel sagen, dass Kunden Zuverlässigkeit oft wichtiger ist als eine sofortige Antwort.
Meine Coachingklientin hätte ihrem Kunden also einen Vorschlag machen können, bis wann sie das Angebot liefern kann. Käme dann die Antwort, dass das passt, wäre sie direkt entstresst gewesen und hätte keine Überstunden machen müssen.
Hätte der Kunde auf eine sofortige Bearbeitung bestanden, hätte meine Klientin mit ihrem Chef über ihre anderen Aufgaben sprechen können:
- Sind alle wirklich gleich zeitkritisch?
- Wo kann sie Prioritäten setzen?
- Welche Aufgaben könnten delegiert werden – jetzt, da sie unerwartet eine wichtige zusätzliche Aufgabe zu bearbeiten hat?
Mach dir klar: Dein Chef hat nicht ständig auf dem Schirm, wie viel du gerade auf deinem Schreibtisch hast. Er erwartet also vielleicht gar nicht, dass du Überstunden machst. Und das sind nur zwei von vielen Beispiele für mögliche stressreduzierende Lösungsoptionen.
Ich wette, du kennst auch Situationen, in denen du dachtest „Das muss jetzt sein. Das muss ich einfach durchziehen“. Und dann hast du das getan, weil du in dem Moment keinen anderen Weg gesehen hast.
Statt beim nächsten Mal in blinden Aktionismus zu verfallen, schaue auf deine Handlungsmöglichkeiten. Es ist vielleicht gar nicht nötig, die Zähne zusammen zu beißen und mit dem Kopf durch die Stresswand zu rennen.
Erste Reaktion: gelassen bleiben. Was auch immer jetzt sein muss, muss vielleicht gar nicht jetzt sein.
Merke: Wenn du in einer stressigen Phase in blinden Aktionismus verfällst, siehst du die Lösungsoptionen nicht. Du machst dir unnötig Stress.
6) „Der Chef ist schuld. Da kann ich nichts machen.“
Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört! Unzählige Male…
Jeder einzelner meiner Coachingklienten lässt ihn in der einen oder anderen Version fallen.
- Wenn der Chef nicht wäre, dann wäre alles anders.
- Der Chef will zu viel, deswegen ist es stressig.
- Natürlich bezieht sich das nicht nur auf Chefs und Chefinnen. Du kannst Chef mit jeder beliebigen anderen Person ersetzen: die Kollegen, der Lieferant, die Freunde, der Partner, die Kinder, die Eltern.
- Oder auch mit Dingen: der Stau, das Prüfungsamt, das Wetter, der Drucker.
Was haben all diese Personen und Dinge gemeinsam?
Sie sind nicht du!
Du siehst das Problem nicht bei dir, sondern im Außen. Du glaubst, dass dein Stress allein von diesen äußeren Faktoren ausgelöst wird.
Aber was, wenn ich dir jetzt sage, dass das nicht stimmt? Klingt erst mal haarsträubend?
Die größte Fehlannahme bezüglich Stress ist, dass er nichts mit dir zu tun hätte.
Wichtig ist, dass du unterscheidest zwischen Stressoren und Stressverstärkern.
- Stressoren sind äußere Belastungen oder Anforderungen: Die zusätzliche Aufgabe, die der Chef dir auf den Schreibtisch wirft. Der Stau, der dich zu spät zu einem Termin kommen lässt.
- Aber diese Stressoren reichen allein noch nicht aus, um JEDEN in Stress zu versetzen. Hier kommen deine persönlichen Stressverstärker ins Spiel.
- Stressverstärker sind innere Einstellungen und Muster, deine Bewertung der Stressoren, deine Ansprüche an dich selbst.
- Ein Paradebeispiel für Stressverstärker sind deine inneren Antreiber. Nehmen wir den „Sei-perfekt!-“Antreiber. Dir ist es wichtig, alles perfekt und fehlerfrei zu machen. Das braucht Zeit. Dein Chef halst dir zusätzliche Aufgaben auf. Um immer noch alles perfekt machen zu können, schiebst du Überstunden. Denn dein „sei-perfekt!“-Antreiber gibt dir ordentlich die Sporen. Du fühlst dich gestresst. Gelassen bleiben ist nicht möglich. Ach, wenn doch bloß der blöde Chef und die ätzenden Aufgaben nicht wären!
Der Chef – oder jeder anderer Stressor – ist also nicht per se schuld daran, dass es für dich stressig auf der Arbeit oder im Privatleben zugeht. Deine inneren Antreiber, deine inneren Gedankenmuster und Bewertungen, spielen ganz schön stark mit rein, wenn es um das gelassen bleiben geht.
Mit ihnen wirst du zu deinem eigenen Stressauslöser!
Ich verstehe, dass das erst mal viel zu verdauen ist. Besonders, wenn du zum ersten Mal von den inneren Antreibern hörst. In diesen Artikeln kannst du mehr über die Antreiber lesen und darüber, wie du mit ihnen umgehen kannst: Streng-dich-an-Antreiber, Mach-es-allen-recht-Antreiber, Sei-stark-Antreiber, Sei-Perfekt-Antreiber, Beeil-dich-Antreiber.
Denn das ist die positive Nachricht: Hast du deine Antreiber als Stressverstärker erkannt, kannst du sie zähmen.
Merke: Mit deinen persönlichen Stressverstärkern bist du oft dein größter Stressor und setzt dich meist selbst am meisten unter Druck.
7) „Bei mir ist das einfach so.“
Ist das ein Satz, den du auch von dir kennst? „Bei mir ist das mit dem Stress einfach so. Das war auch schon immer so. Das kann ich nicht ändern. Ich bin halt so.“
- Wenn deine Kollegin dich um Hilfe bittet, dann weißt du nicht, wie du nein sagen kannst.
- Eine To-Do-Liste zu führen, klappt für eine Woche, dann vergisst du sie schon wieder.
- Deine Gedanken kreisen auch im Feierabend um die Deadline in der nächsten Woche.
- Du findest einfach nicht die Worte, um einen Konflikt mit deinem Partner anzusprechen.
Ich kann das sehr gut verstehen, dass es dir so vorkommt, als ob das alles bei dir einfach dazu gehört. Gerade wenn du schon seit Jahren vom Stress begleitet wirst. Du kennst es nicht anders von dir. Sicherlich hast du schon das eine oder andere ausprobiert, aber es hat nicht funktioniert. Es ist bei dir einfach so…
Weißt du, was mich an dem Satz so aufwühlt?
Er impliziert, dass jemand schon aufgegeben hat. Dass du schon aufgegeben hast.
Dass du nicht glaubst, dein Stressgefühl je in den Griff zu kriegen. Eine Lösung des Problems scheint nicht zu existieren. Du grübelst über deine missliche Lage. Gelassen bleiben scheint unmöglich, du fühlst dich traurig, enttäuscht, verärgert, überfordert. Und deswegen kommst du nur schwer ins Tun. Du bist unentschieden, zögerst.
Durch Handlungsorientierung gelassen bleiben
Psychologen beschreiben diesen Zustand übrigens als Lageorientierung. Damit ist gemeint, dass deine Gedanken und Emotionen auf die Situation – auf das Problem – fixiert sind. Du beschäftigst dich eher damit, wer Schuld an der ganzen Sache hat und verstrickst dich schnell in Vorwürfen (gegen dich und gegen andere). Es ist ein bisschen wie beim Käfer, der auf dem Rücken liegt – mit allen Füßchen in der Luft.
Dem gegenüber steht die Handlungsorientierung. Menschen mit einer hohen Handlungsorientierung konzentrieren sich auf ihr Tun, auf ihre Handlungsoptionen, auf Lösungsmöglichkeiten. Über die missliche Lage selbst denken sie nicht weiter nach, sondern suchen danach, was sie tun können, um trotzdem ihre Ziele zu erreichen.
Knapp und hart gesagt:
- Ständiger „Käfer auf dem Rücken mit den Füßchen in der Luft“-Modus ist fatal.
- Du machst das sicher nicht bewusst, aber mit einer Lageorientierung schränkst du deinen Handlungsspielraum massiv ein.
- Du beförderst dich selbst in eine Opferrolle.
- All die Handlungsmöglichkeiten, die es potenziell gibt, siehst du nicht mehr.
Es gibt immer etwas, das du tun kann.
Das ist eine so wichtige Wahrheit, dass ich sie am liebsten aus vollem Hals von den Dächern rufen würde: Es gibt immer etwas, das du tun kannst!
Jetzt wirst du mir aber entgegen: Ja, Ulrike – ich würde ja gern. Aber es geht einfach nicht! Ich krieg es nicht hin! Ich würde erwidern: Doch, das kannst du. Und wenn du es noch nicht kannst, dann kannst du es lernen.
Was brauchst es, wenn du es lernen möchtest?
1) Selbstreflexion: Kein Mensch „ist einfach so“. Erkenne deine Muster, deine Gewohnheiten, deine blinden Flecken. Zugegeben, dass kann alleine ganz schön schwierig sein. Aber dafür gibt es ja liebe Coaches wie mich, die nichts lieber täten, als dir dabei zur Seite zu stehen.
2) Perspektivenwechsel: Betrachte die Situation, dein Problem von verschiedenen Seiten. Was kannst du beeinflussen? Was kannst du versuchen? Schalte deinen Beeinflussungszonenradar ein!
Wenn du mein kostenfreies Kompakttraining Die 6 Schlüssel zur wirksamen Stressbewältigung absolviert hast, weißt du ja bereits, wie wichtig dieses Selbstcoaching-Tool ist. Du kennst den Beeinflussungszonenradar noch nicht? Hier kannst du dich gratis anmelden.
3) Lernen von Skills: Mit dem Beeinflussungszonenradar erkennst du, was du tun kannst. Jetzt geht es darum, dass du dir die Fähigkeiten aneignest, um es umzusetzen und deine Ziele zu erreichen. Zum Beispiel kannst du mit positiven Affirmationen dein Selbstwertgefühl und deinen Mut stärken, um besser „nein“ sagen zu können. Mithilfe der Methode der Gewaltfreien Kommunikation kannst du konstruktiv deine Bedürfnisse bei deinem Partner äußern. Atemtechniken helfen dir, gelassen zu bleiben und das Bewerbungsgespräch zu meistern.
4) Übung, Übung, Übung. Je öfters du deine Skills anwendest, desto leichter fallen sie dir.
Merke: Es gibt immer etwas, das du tun kannst. Und wenn du es noch nicht kannst, dann kannst du es lernen.
Genau dafür habe ich „Die Stresspiloten“ entwickelt. Um dir ein umfassendes System voller Wissen und effektiver Strategien an die Hand zu geben, mit dem du deinen Stress optimal bewältigen kannst. Ganz egal, in welcher Situation du dich befindest und was du gerade brauchst.
8) „Beim nächsten Mal ist alles anders.“
Hand aufs Herz: Wie oft hast du dir schon geschworen, es beim nächsten Mal anders, es besser zu machen?
- Für die nächste Klausur fängst du rechtzeitig zu lernen an?
- Beim nächsten Projekt delegierst du mehr Aufgaben?
- Wenn es wieder zum Streit mit der Kollegin kommt, wirst du endlich gelassen bleiben?
- Das nächste Treffen mit deinen Freunden sagst du nicht ab?
- Und zum Tanzkurs mit deinem Partner schaffst du es auch jede Woche?
Dann musst du zu deinem Ärger feststellen, dass dir das Leben irgendwie dazwischen grätscht. Dass sich deine Vorsätze im Sand verlaufen. Selbst die genaueste Planung und die größte Motivation scheinen einfach nicht auszureichen.
Warum reichen Motivation und Planung nicht?
Weil mindestens 30 bis 50 Prozent unseres Handelns automatisch abläuft. Nicht umsonst bezeichnen wir uns selbst als Gewohnheitstier. Routinen bestimmen unseren Alltag.
Diese Automatismen kannst du dir wie breite Autobahnen im Gehirn vorstellen. Schön angenehm zu befahren und bequem. Deswegen fällt es uns leicht, danach zu handeln. Wir müssen nicht einmal groß darüber nachdenken. Und manchmal bekommen wir es gar nicht so richtig mit.
- Eigentlich wolltest du die Schokolade im Supermarktregal liegen lassen, aber sie ist doch im Einkaufskorb gelandet.
- Und eigentlich wolltest du eine andere, schnellere Route zur Arbeit ausprobieren, aber du bist doch wie immer rechts statt links abgebogen.
- Eigentlich wolltest du mit dem Lernen für deine Prüfung anfangen, aber dann hast du doch erst deine E-Mails gecheckt.
- Oder eigentlich wolltest du beim ersten Klingeln des Weckers aufstehen, aber du hast doch wieder die Schlummertaste drei Mal gedrückt.
Nicht-automatisiertes Handeln sind dagegen kleinere, weniger oft befahrene Straßen. Sie fordern von uns mehr Aufmerksamkeit, mehr Konzentration. Mehr Energie. Deswegen ist es schlicht und ergreifend anstrengend, Gewohnheiten zu ändern. Es ist wahre Arbeit für unser Gehirn. Denn Gewohnheiten zu ändern, bedeutet, dass du eine neue Autobahn bauen musst.
Gelassen bleiben kann zur Gewohnheit werden
Das Gehirn macht leider keinen Unterscheid zwischen „guten“ und „schlechten“ Gewohnheiten. Das Problem ist also, dass du nicht gegen deine ungünstigen Gewohnheiten ankommst, sondern in sie zurückfällst. Weil das für das Gehirn der leichtere Weg ist.
Du wolltest zwar rechtzeitig anfangen zu lernen, aber dein Gehirn wartet auf die letzte Minute. Du wolltest zwar gelassen bleiben, aber hast dich doch wieder tierisch aufgeregt.
Deine Vorsätze können noch so gut und deine Motivation noch so hoch sein, wenn du deine Gewohnheiten nicht änderst, wird „beim nächsten Mal“ nichts anders sein.
Wenn du ganz ehrlich bist, vermute ich, dass du das schon längst weißt. Also ,belüge dich nicht länger und fange an, gute, stressreduzierende Gewohnheiten in deinem Leben zu etablieren. Es wird etwas dauern und auch mal anstrengend sein, aber es lohnt sich so was von! Dieser Blogartikel kann dich dabei unterstützen, wenn du magst. Dann heißt es „Tschüss letzte Minute“ und „Hallo Tanzkurs“.
Merke: Ungünstige Gewohnheiten halten dich in deinem Stress gefangen.
9) „Ich muss erst noch…“
Stolz erzählt mir eine Coachingklientin, wie sie sich am Freitagabend Zeit für ihre Selbstfürsorge genommen hat. Ein ausgiebiges Schaumbad mit Musik. Sie schwärmt, wie entspannend das gewesen sei. Und wie ihr Körper wieder Kraft schöpfte. Eine richtige Wohltat für ihre Seele.
Dann sagt sie: „Eigentlich hatte ich das schon am Mittwoch machen wollen, aber ich musste erst noch die Einkäufe erledigen. Und dann musste ich noch die Wäsche machen und noch mal meine Mails checken, die Antworten rausschicken, damit ich das aus dem Kopf hab. Sonst kann ich nicht gelassen bleiben und mich auch gar nicht entspannen. Naja, aber dann war es halt auch schon wieder so spät, ich tot müde, also hab ich nicht mehr gebadet.“
In meinem Coachinggehirn klingelt ein Alarmglöckchen. Was ich bei dieser Geschichte meiner Klientin gehört habe, war vor allem: Ich muss erst noch, ich muss erst noch, ich muss erst noch. Und dann – vielleicht – kann ich mich entspannen, mir etwas Gutes tun. Ein Muster also.
Noch dazu eins, das sehr typisch für uns Deutsche ist. Um sich etwas gönnen zu dürfen, muss man vorher etwas geleistet haben. Erholung muss verdient sein.
Erholung muss verdient sein?
Das ist totaler Kokolores. Und schädlich. Ich sage dir auch, warum.
Aus zwei Gründen ist diese Einstellung problematisch:
1) Du ignorierst die Funktionsweise deines Körpers und Geistes. Wir Menschen sind keine Maschinen, die über Stunden konstant gleich gut performen können. Unser Körper und Geist haben begrenzte Ressourcen und brauchen Pausen, um sich zu regenerieren. Du kannst zum Beispiel nicht unendlich lange konzentriert an einer Aufgabe arbeiten. Nach einer Weile fällt deine Konzentration ab. Es wird schwieriger, Ablenkungen auszublenden. Dein Gehirn ist erschöpft. Damit es wieder auf die gleiche Konzentrationskraft kommt, muss es sich erholen.
2) Du vergisst, dass Energie wichtiger als Zeit ist.
Für viele Menschen geht es im Stressmanagement nur um Zeit.
- Wie können sie Aufgaben schneller, effektiver erledigen?
- Und wie können sie möglichst viel Zeit sparen?
- Wie können sie all die „Ich muss erst noch‘s am besten in eine Stunde quetschen?
Was wird dabei übersehen?
Dass es eine mindestens genauso wichtige Währung gibt wie die Zeit.
Nämlich unsere Energie.
Deine Energie entscheidet, was du mit deiner Zeit anfangen kannst
Du kannst noch so viel Zeit haben, aber wenn dir die Energie fehlt, bekommst du trotzdem nichts gewuppt.
Denk zum Beispiel an Menschen mit chronischen Krankheiten. Oft zehren diese Krankheiten massiv an der Energie des Betroffenen. Es kann sein, dass die Energie nicht weiter reicht als zu duschen und sich fertig zu machen. Dann braucht es erst mal eine Pause.
Ständig schauen wir auf die Uhr. Wie spät ist es? Wieviel Zeit hab ich noch? Dabei wären die viel entscheidenderen Fragen:
- Wie aufgeladen bin ich?
- Wieviel Energie hab ich noch?
Und:
- Wie halte ich mich auf einem guten Energielevel?
Viel zu wenig Menschen haben das auf dem Schirm. Oder sie fangen erst an darüber nachzudenken, wenn es zu spät ist. Wenn ihre Energie schon komplett weg ist.
Wir alle haben unterschiedliche Energielevel. Und wir tanken auf unterschiedliche Weise Energie. Es ist essentiell, deinen eigenen Energiehaushalt kennen zu lernen und dich darum zu kümmern. Mit wieviel Energie startest du in den Tag? Wann brauchst du eine Pause? Wie hoch müssen deine Energiereserven sein, damit du in Stressphasen gelassen bleiben kannst? Wie kannst du dich aktiv erholen? Wenn du genug Energie hast, wird Zeit nicht mehr dein Problem sein.
Merke: Manage nicht deine Zeit, sondern deine Energie.
10) „Wenn ich erfolgreich sein will, muss das so sein.“
Neun? Vielleicht auch zehn? Heute elf, aber nur als Ausnahme. Upps, jetzt sind es doch mal wieder zwölf geworden.
Hä, wovon redet sie denn da, fragst du dich?
Ich rede von Arbeitsstunden. Am Tag.
Es gibt viel zu viele, die dauerhaft viel zu viel arbeiten. Bei einigen bleibt es nicht bei den zwölf Stunden…
Zwei meiner Coachingklientinnen gehören auch dazu. Die eine ist Selbstständige, hat letztes Jahr ihr Business auf die Beine gestellt. Die andere ist im Mai die Karriereleiter in ihre erste Führungsposition hinaufgeklettert. Die erste von vielen Sprossen, die sie für sich geplant hat. Beide träumen vom großen Erfolg. Und beide sind überzeugt, dass sie das nur mit harter und vor allem mit viel, viel Arbeit erreichen können.
So sehen auch ihre Arbeitstage aus. Lang. Zugestopft. Abgehetzt. Gelassen bleiben steht nicht auf dem Programm. Durch Pausen verlöre man nur den Schwung. Stress sei eben der Preis des Erfolgs.
Nein. Für Erfolg brauchen wir Erholung.
Wenn du 9. gelesen hast, kannst du bestimmt schon erraten, was ich auf die Ansichten meiner Coachingklientinnen erwidere.
- Genau: keine Pausen zu machen ist Mumpitz. Ganz besonders, wenn du Topleistungen erbringen möchtest. Jeder Spitzensportler weiß (oder wird es schmerzhaft lernen), dass Regeneration genauso wichtig ist wie das Training selbst.
- Zweitens: Beschäftigt zu sein ist nicht das Gleiche wie produktiv zu sein. Du wirst nicht produktiver, indem du immer längere Stunden schiebst, immer länger beschäftigt bist. Du kannst stundenlang an einer Präsentation feilen oder tagelang das Design für deine Webseite optimieren. Du kannst hundert Emails schicken. Absprachen mit Kollegen treffen. Seitenweise Literatur lesen. Im Haushalt putzen. Du warst auf jeden Fall beschäftigt, aber warst du auch produktiv? Der Unterschied liegt in den Ergebnissen. Hast du einen Fortschritt gemacht? Haben dich deine Handlungen einem wichtigen Ziel nähergebracht?
- Drittens: Insbesondere erfolgreiche Menschen achten auf ihre Erholung und Pausen. Denn wie bei den Spitzensportlern sind das die zwei Seiten der Erfolgsmedaille. Training und Regeneration. Produktivität und Erholung. Ariana Huffington zum Beispiel – Gründerin und ehemalige Chefredakteurin der Huffington Post, Geschäftsführerin von Thrive Global – stellt sich keinen Wecker und verfolgt eine feste Morgenroutine mit Meditation. Steve Jobs – Mitgründer und Geschäftsführer von Apple – machte jeden Abend gegen halb sieben einen Spaziergang mit seiner Frau. Und Colette Nataf – Gründerin und CEO von Lightning AI – geht erst mal mit ihrem Hund spazieren, nachdem sie die wichtigsten Emails beantwortet hat und nimmt sich nachmittags eine halbe Stunde Zeit, um fernzusehen oder sich anderweitig zu entspannen. (Ich spare mir zu sagen, dass ich natürlich auch eine Morgen- wie Abendroutine habe. Versteht sich von selbst, oder?!)
Merke: Beschäftigt zu sein heißt nicht, auch produktiv zu sein.
11) „Das bringt eh nichts. Damit kann ich immer noch nicht gelassen bleiben.“
Ich bin zu hundert Prozent überzeugt von meinen Coaching-Tools und Stressbewältigungstechniken. Klar.
Sonst hätte ich soulsweet nicht ins Leben gerufen. Es gäbe meinen Stresspiloten-Kurs nicht.
Und auch wenn sie unter dem Stress oder seinen Folgen leiden, sind viele Menschen skeptisch, ob „das“ überhaupt was bringt. Oft haben meine Klienten schon die eine oder andere Sache ausprobiert, um mit ihrem Stress besser zurecht zu kommen und gelassen bleiben zu können. Es war nicht oder weniger erfolgreich als sie es sich erhofft hatten.
Ihre Schlussfolgerung: Das klappt nicht. Das bringt nichts.
Stopp, Stopp, Stopp! So pauschal lasse ich das nicht durchgehen. Weder meinen Klienten, noch dir. Mir fallen sofort vier Gründe ein, die erklären können, warum eine bestimmte Anti-Stress-Technik „nichts gebracht“ hat:
1. Die Technik wurde falsch angewendet.
Bei Atemübungen kann es zum Beispiel sein, dass du kürzer ausatmest als einatmest. Das lange Ausatmen ist aber essentiell. Erst dadurch kommt es zur Aktivierung des Parasympathikus (dem „Ruhe-Regler“ deines Nervensystems). Bei zu kurzem Ausatmen bleibt die entspannende Wirkung der Atemtechnik also aus.
Ein anderes Beispiel: deine Abendroutine ist nicht arbeitsfrei. Eine Abendroutine soll dir helfen, den Feierabend zu genießen, runter zu fahren, gut in den Schlaf zu finden. Viele Menschen können es aber nicht lassen, kurz vor dem Schlafen gehen, schnell noch ein letztes Mal ihre E-Mails zu checken. Nur für den Fall, das was ganz Wichtiges reingekommen ist. Und auch nur ganz, ganz kurz. Leider macht das dir deine feierabendliche Gelassenheit kaputt, egal wie kurz du in dein Postfach schaust.
Oder der Klassiker: auf deiner To-Do-Liste stehen zu viele Punkte. Das passiert vielen Menschen. Auf ihrer To-Do-Liste steht alles drauf, was sie sich wünschen, an diesem Tag erledigt zu können. Problem? Es ist oft nicht realistisch. Eine To-Do-Liste hilft dir erst dann, wenn du deine Aufgaben in realistische Teilaufgaben unterteilst und Prioritäten setzt. Ansonsten siehst du nur, was du alles nicht schaffst. Fühlst dich sogar noch gestresster. Und kannst ganz und gar nicht gelassen bleiben.
2. Die Technik wurde zu kurz ausprobiert.
Die Stichworte sind Gewohnheiten und langfristige Effekte. Eine Studie der britischen Psychologin Phillippa Lally [2] beschäftigte sich damit, wie lange Menschen brauchen, um eine Gewohnheit zu etablieren. Das Ergebnis: es ist sehr unterschiedlich. Manche hatten eine neue Gewohnheit schon nach 18 Tage in ihren Alltag integriert. Und andere arbeiteten bis zu 254 Tage an ihrer neuen Gewohnheit. Und es ist nicht nur von Person zu Person unterschiedlich, sondern hängt auch von der gewünschten Gewohnheit selbst ab. Es ist zum Beispiel in der Regel leichter, sich anzugewöhnen, jeden Morgen ein Glas Wasser zu trinken als zwanzig Liegestütze zu machen.
Auch wenn manche Techniken kurzfristig Erfolge zeigen und helfen können, sind es vor allem deine langfristigen Veränderungen, bei denen du einen Unterschied spürst.
- Ein, zwei Mal ein Dankbarkeits-Tagebuch zu führen, hat nicht die gleiche Wirkung auf deine Zufriedenheit wie es jeden Tag zu tun.
- Und dem Kollegen, der immer besonders gerne dich um Hilfe bittet, nur bei einer einzelnen Gelegenheit „Nein“ zu sagen, wird deine Arbeitsmenge vielleicht für die Woche reduzieren, aber sicherlich nicht für das ganze Jahr.
Um eine Gewohnheit aufzubauen, muss in deinem Gehirn eine neue Spur gebahnt werden. Das verlangt Zeit, Geduld und Durchhaltevermögen. Und es kann länger dauern als dir lieb ist.
3. Die Technik ist gar nicht das Problem.
Wenn eine Lösung nicht funktioniert, kann das auch am Problem liegen. Nämlich daran, dass du eigentlich ein ganz anderes Problem hast als du denkst. Oft ist das gar nicht so leicht zu erkennen.
Viele Menschen wollen produktiver arbeiten. Du auch? Du bemühst dich wirklich, deine To-Do-Liste ordentlich zu führen, die 80/20-Regel anzuwenden, nur zu einer festen Zeit deine Mails zu checken. Aber irgendwie wirst du nicht produktiver. Sind diese Techniken also doch nicht so toll?
Die Antwort ist: Es hat nichts mit den Techniken zu tun. Du hast kein Produktivitäts-Problem, du hast ein Perfektionismus-Problem. Und so lange du das nicht in den Griff kriegst, kannst du noch so oft 80/20 anstreben – es wird nichts werden.
Auch beim „Nein sagen“ kann etwas Ähnliches vor sich gehen. Du hast zwar dem Kollegen gesagt, dass du ihm heute nicht mehr helfen kannst. Und die Einladung zum Kinobesuch von einer Freundin hast du auch abgesagt. Aber leider stellst du fest, dass du den Feierabend gar nicht genießen kannst. Gelassen fühlst du dich auch nicht. Denn dich plagt das schlechte Gewissen.
Woran liegt das? Daran, dass du es allen recht machen möchtest. Das Problem ist: Deine inneren Antreiber lassen grüßen!
Nur Anti-Stress-Techniken reichen nicht, um gelassen bleiben zu können
Ich sage gerne, dass Techniken wie Stützräder beim Fahrrad sind. Sie helfen dir, das Fahren zu lernen. Deinen Stress zu navigieren. Du kommst von A nach B, ohne um zu fallen.
Aber um wirklich alleine Fahrrad fahren, muss man auch noch mehr lernen. Man muss die Balance halten können. Den Überblick bewahren. Mal bremsen, mal ordentlich treppeln, je nach dem was der Weg gerade verlangt. Am Berg einen Gang runter schalten können. Gelassen bleiben, auch wenn mal etwas schnell unterwegs ist. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten entwickeln.
Auch in der Stressbewältigung gibt es mehr zu lernen als einzelne konkrete Techniken. Ich spreche von deiner inneren Haltung, deinem Mindset, gegenüber Stress. Gegenüber deinen Antreiber. Was du brauchst, ist ein richtiges System. (Wusstest du, dass mein von den Krankenkassen zertifizierter Kurs „Die Stresspiloten“ genau auf einem solchen System aufbaut?)
Mein Starttipp für dich? Nichts kann dich so sehr entstressen und dich gelassen bleiben lassen, wie die tiefe Überzeugung, dass du mit jederlei Stress gut zurecht kommen wirst. Egal, was kommt.
4. Es war nicht die passende Technik.
Das kann es auch geben. Wir sind alle unterschiedlich. Was für den einen angenehm ist, ist für den anderen fürchterlich.
Vor Jahren habe ich mal an einem Entspannungskurs teilgenommen, in dem Progressive Muskelrelaxation und Autogenes Training hintereinander ausprobiert wurden. Im Anschluss fragte die Kursleiterin, welche der Entspannungstechniken von uns vorgezogen würde. Der Kurs war geteilt. Die einen fanden PMR toll, die anderen AT. Nur ein paar wenige fanden beides gleich gut. Hätten wir nur eine Entspannungstechnik ausprobiert, wäre der halbe Kurs mit dem Eindruck gegangen, Entspannungsverfahren seien nichts für sie.
Manche „Techniken“ sind auch einfach sehr breit gefasst. Sie sollen individuell gestaltet werden. Die Morgenroutine ist ein Paradebeispiel dafür.
Wenn die Teilnehmerinnen in meinem Stresspiloten-Kurs ihre eigene Morgenroutine entwickeln, dann gleicht keine der anderen. Beim Zeit-Budget fängt es an. Die eine nimmt sich knackige zehn Minuten, die andere gemütliche sechzig Minuten. Bei den Interessen wird es dann so richtig bunt. Manche möchten meditieren, andere nicht. Einige wollen sich bewegen, andere gar nicht. Manche wollen singen, andere nicht. Du siehst worauf ich hinaus will. Es gibt nicht die eine Morgenroutine, sondern ein ganzes Kaleidoskop.
Die zentrale Botschaft ist: nur weil dir vielleicht eine einzelne Technik nicht direkt gefällt, solltest du nicht gleich alle Verfahren über Bord schmeißen. Probiere Verschiedenes für dich aus und passe es an deine Bedürfnisse und Wünsche an.
Merke: Es gibt das passende Rezept für dein Stressmanagement.
Lass es uns gemeinsam angehen!
Wenn du jetzt richtig Lust bekommen hast, dein eigenes, maßgeschneidertes System zu entwickeln, um deinen Stress nachhaltig zu bewältigen, komm in meinen Stresspiloten-Kurs.
Mach dich bereit für 8 Wochen voller Erkenntnisse und leicht umsetzbarer Strategien, mit denen du zurück zu deiner inneren Balance findest und dir einen Alltag voller Leichtigkeit, Energie und Lebensfreude schaffst.
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Quellen
[1] 72,5 Prozent der 18- bis 59-Jährigen Deutschen fühlen sich manchmal bis häufig gestresst. Techniker Krankenkasse (2016). Entspann dich, Deutschland – TK-Stressstudie 2016.
[2] Wie lange es braucht, um Gewohnheiten zu etablieren. Lally, P., van Jaarsveld, C. H. M., Potts, H. W. W. & Wardle, J. (2009). How are habits formed: Modelling habit formation in the real world. European Journal of Social Psychology, 40(6), 998–1009. https://doi.org/10.1002/ejsp.674