Wenn ich alle Leserfragen, die zum Thema Stress, die ich  ich erhalte, auf eine einzige Frage herunterbrechen müsste, würde sie höchstwahrscheinlich ungefähr so lauten: „Was kann ich wirkungsvoll und nachhaltig gegen meinen Stress tun, auch wenn ich mir im Alltag wenig Zeit dafür nehmen kann?“

Wahrscheinlich kennst auch du den Wunsch nach einfachen und effektiven Mitteln, mit denen du deinen Stress oder negative Gefühle hinter dir lassen kannst.

In diesem Artikel will ich dir zeigen, wie du ein Wundermittel, das du immer bei dir hast, aber in entscheidenden Momenten bisher vielleicht vergisst, einsetzen kannst. Es geht um deinen Atem.

Ich bin sicherlich nicht die erste, von der du hörst, wie hilfreich und effektiv dein Atem dich bei deinem Weg in ein gelasseneres Leben unterstützten kann.

Das hat auch seinen guten Grund.

Egal, welche Entspannungstechnik du dir anschaust – ob Yoga, Qi Gong, Autogenes Training oder Tai Chi – überall spielt dein Atem eine herausragende Rolle. In jeder Achtsamkeitspraxis ist er dein größter Lehrer. Denn nichts bringt dich so schnell und wirkungsvoll in den gegenwärtigen Moment als das Beobachten deines Atemflusses.

Was dich in diesem Artikel erwartet

Im ersten Teil zeige ich dir, wieso die Atmung zurecht in aller Munde ist. Du erfährst, was im Körper passiert, wieso entschleunigtes Atmen für dich und deine Gesundheit wichtig ist und in welchen Situationen du es am besten einsetzt.

Denn ganz viele Menschen würden nickend bestätigen, dass richtiges Atmen förderlich und wichtig ist. Aber nur die wenigsten setzen in einem Stressmoment ihre Atmung als effektives Stressbewältigungsmittel ein. Im zweiten Teil präsentiere ich dir drei Atemübungen. Du lernst, was ein entschleunigendes, stressreduzierendes, angstminderndes und schlafförderndes Atmen ausmacht und wie du es in deinen Alltag einbettest.

Solltest du bereits alles über die Wirkweise und den Zusammenhang deiner Atmung und deiner Gesundheit bzw. deinem Stress wissen, überspring einfach den ersten Teil und lass dich direkt von den Übungen inspirieren.

Wieso tiefes Atmen so wichtig ist

Wenn du einatmest, füllen sich deine Lungen vollständig mit Luft. Dadurch wird ein bestimmter Muskel, dein Zwerchfell, in Bewegung gesetzt und drückt gegen deinen Bauch. Dadurch kommt die typische Bewegung zustande, die du beim Einatmen kennst: dein Brustkorb wird weit, deine Brust hebt sich und dein Bauch ebenfalls. Bei der Ausatmung richtet sich das Zwerchfell auf und drückt deine Lungen leicht zusammen, sodass die ganze Luft ausströmt.

Dieser Vorgang ermöglicht es deinem Körper, die überlebensnotwendige Portion an Sauerstoff aus der Luft in jede einzelne Körperzelle zu schicken.

Was passiert mit deinem Atem, wenn dein Körper in Alarmbereitschaft ist?

Wenn du also Angst hast oder im Hektik- und Stressmodus bist?

Dein Atem wird automatisch flacher. Du atmest schnell ein und lässt dadurch nur sehr wenig Luft in deine Lungen. Auch beim Ausatmen gelangt nicht die gesamte Luft nach draußen, wodurch die Bewegung deines Zwerchfells beim nächsten Atemzug eingeschränkt ist.

Es leuchtet dir sicher ein, dass das keine positiven Konsequenzen für deinen Körper haben kann, wenn er nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Weder kurz noch langfristig. Denn dann fehlt deinen Organen die Energie, um ihre Arbeit zu leisten.

Das zeigt sich in Müdigkeit, Erschöpft- und Schlaff-Sein und verringerter Lebensfreude. Eventuell entstehen auch Haltungsschäden deiner Rückenmuskulatur und chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Schäden an deinen Organen.

Durch die flache und unzureichende Atmung entsteht ein Stress-Teufelskreis. Du atmest kurz, weil du im Stress bist. Die unvollständige Atmung selbst erzeugt wiederum Stress im und für deinen Körper. Das vermindert dein Wohlbefinden dauerhaft.

Die gute Nachricht: du kannst diesen Negativ-Kreislauf in einen Positiv-Kreislauf umwandeln. Mit einer natürlichen und tiefen Atmung stellt sich eine vollständige Sauerstoffversorgung deines Körpers ein, die unmittelbar deine körperliche und psychische Gesundheit beflügelt. Du kannst also die Verbindung zwischen deiner Atmung und deinem Stresserleben auch positiv nutzen.

Tiefes Atmen wirkt sich positiv auf dein gesamtes System aus

Insbesondere durch das lange Ausatmen stellt sich eine Beruhigung deines Nervensystems ein.

Du wirst merken, wie du die unangenehmen Emotionen besser loslassen kannst.

Durch die erhöhte Sauerstoffversorgung können sich deine Organe und dein Hormonhaushalt besser regenerieren. So können sich physische und psychische Anspannungen lösen, deine Konzentration verbessert sich und Schlafprobleme und innere Unruhe verringern sich.

Die positiven Auswirkungen des tiefen Atmens wurden mittlerweile in verschiedenen Studien bestätigt. Wie zum Beispiel in der Studie von Thomas Loew,  Beate Leinberger und Thilo Hinterberger. Sie konnten belegen, dass eine entschleunigte, d.h. tiefe und langsame, Atmung mit einer Blutdruckreduktion einhergeht.

Wieso?

Weil zum einen dein Blut besser fließen kann und sich zum anderen deine Rezeptorstellen günstig verändern. Und zwar so, dass das Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus harmonisiert wird.

Die drei Forscher stellten außerdem im klinischen Kontext fest, dass durch Atemübungen Angstsymptome reduziert wurden. Bei Asthma Patienten ging das tiefe Atmen mit einer Steigerung der Lebensqualität und der Verminderung von Ängsten und depressiven Verstimmungen einher. Durch die Öffnung der Atemwege lässt auch die Asthma-Erkrankung nach.

Breath is the king of mind.
-B.K.S. Iyengar, Light on Yoga

Wie du siehst, wirkt sich entschleunigtes Atmen sowohl kurzfristig in akuten Stress- und Angstsituationen als auch langfristig bei chronischen Krankheiten sehr positiv auf dein inneres und äußeres Befinden aus. Es lässt dich zur Ruhe kommen und wirkt ausgleichend auf Anspannungen aller Art.

So nutzt du die vorteilhaften Auswirkungen deiner Atmung für deine Gesundheit

Das gelingt dir, in dem du an deiner Atmung arbeitest und sie tiefer, gleichmäßiger und langsamer machst.

Alleine dadurch, dass du die Aufmerksamkeit auf deinen Atem lenkst, wirst du merken, wie er sich verlangsamt und beruhigt. Außerdem kannst du mithilfe von Atemübungen lernen, bewusster zu atmen.

Das geht beispielsweise mit einer von den 3 Übungen, die ich dir jetzt gleich vorstelle.

Wenn du regelmäßig übst, wirst du spürbare Veränderungen feststellen. Denn dann werden sich im Sinne der Neuroplasitzität auch innerhalb deines Systems neue und vorteilhafte Strukturen verankern. Die Betonung liegt auf regelmäßig üben. Deshalb hier noch einmal einen liebevollen Fingerzeig, dir zu Beginn 5 Minuten täglich Zeit dafür zu nehmen.

Du weißt ja: wer was säen will, muss zuerst etwas ernten.

3 konkrete Atemübungen, die deinen Geist und Körper harmonisieren

Falls du yoga-affin bist, kennst du für Atemübungen vielleicht auch den Namen Pranayama. Dieser Begriff setzt sich zusammen aus Prana, was Lebensenergie bedeutet, und Ayama, was du mit kontrollieren übersetzen kannst. Pranayama meint also die Vertiefung und die bewusste Regulierung deines Atems.

Probiere die Atemübung gern beim Lesen aus.

1. Die vollständige Yoga-Atmung

Diese Atemtechnik wird auch Purna – Atmung genannt. Purna bedeutet im Sanskrit so viel wie „Fülle“. Es geht bei der Atmung darum, deine drei Atemräume wieder miteinander zu verbinden. Ja, du hast ganze drei Stück. Und zwar Bauch, Brustkorb und Lungenspitzen. In der Anleitung erkläre ich dir genau, wo du sie findest.

Die Übung kannst du im Sitzen oder im Liegen durchführen.

So geht‘s

Du legst deine Hände auf deinen Bauch und spürst, wie sich deine Bauchdecke beim Atmen hebt und senkt. In dieser Handstellung nimmst du mindestens 5 tiefe Atemzüge. Achte insbesondere auf das lange Ausatmen.

Als nächstes legst du deine Hände seitlich an deinen Brustkorb, auf deine Rippen. Deine Daumen zeigen nach innen. Hier spürst du die Ausdehnung deines Brustkorbes. Nimm 5 tiefe und lange Atemzüge.

Als letztes legst du deine Hände auf deine Lungenspitzen. Sie befinden sich in Höhe deiner oberen Rippen, d.h. knapp unterhalb deiner Schlüsselbeine. Spüre auch hier bei 5 tiefen Atemzügen, wie sich dein oberer Brustkorb ganz leicht hebt und senkt.

Beobachte deinen Atem also an diesen drei Stellen für einige Atemzüge. Sei neugierig und feinfühlig und spüre genau, was in deinem Körper während des Atmens passiert.

2. Die Wechselatmung

Im Sanskrit wird diese Atmung Nadi Shodana genannt. Nadi bedeutet Energiekanal und Shodana meint Reinigung. Diese Atemübung reinigt also deine Energiekanäle und bringt deine linke und rechte Gehirnhälfte in Balance.

Wenn du Herz- bzw. Blutdruckbeschwerden hast oder die Atmung zum ersten Mal machst, kannst du das gleich beschriebene Anhalten des Atems weglassen und fließend weiteratmen.

So geht‘s
  • Für die Wechselatmung eignet sich eine bestimmte Handhaltung). Du klappst dein Zeige- und Mittelfinger deiner dominanten Hand nach unten, sodass nur noch Daumen, Ring- und kleiner Finger nach oben zeigen.
  • Anschließend verschließt du mit dem rechten Daumen das rechte Nasenloch und atmest tief durch das linke Nasenloch aus.
  • Atme nun durch das freie linke Nasenloch tief ein.
  • Schließe dann mit deinem Ringfinger der rechten Hand das linke Nasenloch; der Daumen lässt das rechte Nasenloch wieder los.
  • Fortgeschrittene halten an dieser Stelle den Atem an und zählen bis 4.
  • Atme dann durch das rechte Nasenloch aus.
  • Nun atmest du durch das rechte Nasenloch tief ein, schließt mit dem rechten Daumen das rechte Nasenloch, halte den Atem kurz an, wenn es dir angenehm ist und löse dann den Ringfinger vom linken Nasenloch um Auszuatmen.
  • Jetzt atmest du wieder links ein und der Kreislauf beginnt von vorne.

Um eine Wirkung zu spüren, wiederholst du die Atmung am besten mindestens 5 Mal auf jeder Seite.

Glaub mir: es klingt viel komplizierter als es ist! Wenn du das 1-2 Mal gemacht hast, werden die Hand- und Atembewegungen ganz natürlich.

Falls du gerne eine „sichtbare“ Anleitung hast, empfehle ich dir das Video von Mady Morrison. Ich habe dir ja bereits erzählt, dass ich ein großer Fan von ihr bin und ihre Videos auch für meine eigene Yogapraxis nutze. Wenn du hier klickst, kommst du zu ihrem Video auf Youtube, wo sie die Wechselatmung vormacht und anleitet.

3. Das Summen

Die letzte Atemtechnik, die ich dir vorstellen möchte, nennt sich Bhramari. Das bedeutet so viel wie „Bienenton-Atem“. Der Name ist Programm. Beim Ausatmen summst du wie eine Biene mit geschlossenem Mund.

Und das ist eigentlich auch schon alles.

Wie die anderen beiden Übungen kannst du auch die Summatmung im Lieben oder Sitzen durchführen. Ich persönlich würde dir das Sitzen empfehlen.

Diese Technik lässt sich wunderbar mit Purna (der ersten Übung) bei der Ausatmung kombinieren.

So geht‘s
  • Du atmest tief ein und lässt deinen Atem mit einem Summen wieder aus deinem Körper ausströmen.

Dabei entsteht eine spürbare Vibration in den Resonanzräumen deines Körpers, insbesondere in deinem Kopf, deinem Nacken und dem Brustkorb.

Durch die Vibration wird dein Gewebe besser durchblutet, weshalb du beim Üben wahrscheinlich eine angenehme Wärme und ein leichtes Kribbeln wahrnehmen wirst.

Mit diesen drei wunderbaren Übungen möchte ich dich für heute entlassen.

Ich hoffe sehr, ich konnte dein Wissen rund ums Thema Atem und dessen Wichtigkeit auffrischen oder vertiefen. Vor allem wünsche ich mir für dich, dass du Atemübungen zum regelmäßigen Bestandteil deines Alltags machst und dir dieses natürliche und effektive Stressbewältigungsmittel nicht entgehen lässt!

Triff deshalb hier und jetzt eine Vereinbarung mit dir!

Welche Atemübungen möchtest du wann und wie lange durchführen?

Am Anfang empfiehlt es sich, dir dafür Zeit zu reservieren. Und zwar solange bis du die Techniken so verinnerlicht hast, dass du sie in allen möglichen Situationen ganz natürlich anwendest.

Schreib mir deinen Entschluss am besten in den Kommentaren. Dann ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass du einen Rückzieher machst…

Berichte mir unbedingt nach 1-2 Wochen, ob sich spürbare Veränderungen in deinem Stress- bzw. Gelassenheitserleben einstellen! In welchen Situationen war dir dein Atem ein besonderer Anker und Unterstützer?

PS: Sharing is caring: Wenn dir der Artikel gefallen und geholfen hat, teile ihn jetzt mit deinen Liebsten und mit allen Menschen, denen das Wissen auch weiterhelfen kann. Dankeschön!