„Wie lerne ich, mein Leben zu genießen?“
Eine Leserin hat mir neulich diese Frage gestellt. Das ist eine gute Frage, denn in unserem schnellen und reizüberfluteten Alltag scheinen immer mehr von uns diese Fähigkeit ein Stück weit verlernt zu haben.
Du kennst das sicher auch: Du hetzt von einem Termin zum anderen. Neben deinem Job musst du deine Familie, Freunde und Freizeitaktivitäten unter einen Hut bekommen. Wie sollst du bei all der Hektik die Zeit finden, dein Leben ausgiebig zu genießen?
Lass uns mal ehrlich sein. Unser Leben ist erst dann wirklich lebenswert, wenn wir es auch genießen, oder? Woran liegt es also, dass wir diese Sache mit dem Genuss einfach nicht auf die Reihe kriegen? Und vor allem: wie schaffst du es, dein Leben so richtig auszukosten?
In diesem Artikel beantworte ich diese Frage. Lass mich dir erklären, warum Genuss viel mehr ist als ein Bad bei Kerzenschein. Welche 4 Aspekte für mehr Genuss in deinem Leben sorgen. Natürlich gebe ich dir wieder auch ganz praktische Tipps und Tricks an die Hand, wie du in deinen Alltag sofort mehr Genussmomente einbauen kannst.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Ich kann jetzt nicht einfach baden gehen. Es ist doch noch so viel zu tun! Wenn ich auf der Arbeit alle Aufgaben erledigt, zuhause die Küche geputzt, die Kinder versorgt und ins Bett gebracht habe, dann belohne ich mich mit einem heißen Bad. Aber erst dann.
Oder: Ich muss jetzt alles geben. Einen Gang runterschalten und mein Leben genießen kann ich immer noch, wenn ich endlich die erhoffte Beförderung habe.
Auch schön: Wenn die Kinder erstmal aus dem Haus sind und ich in Rente gehe, dann genieße ich mein Leben so richtig! Dann mach ich nur noch das, was mir gefällt!
Na, erkennst du dich wieder?
Ein häufiger Irrglaube, der uns davon abhält, unser Leben zu genießen, ist der Gedanke, dass wir uns Genuss erst verdienen müssten. Eine innere Stimme sagt uns, dass wir erst fleißig sein und uns abrackern müssen, bevor wir genießen dürfen.
Dummerweise ist es so, dass du, wenn du auf den Moment wartest, in dem du alles in deinem Leben geschafft hast, vergeblich warten wirst. Es wird immer neue Aufgaben geben. Neue Probleme, die du lösen musst. Oder neue Ziele, die du erreichen willst.
Solltest du also auch zu den Kandidaten gehören, die darauf hoffen, dass sie irgendwann mehr Zeit haben und den bewussten Genuss in ihrem Leben auf diesen unbestimmten Zeitpunkt vertagen, dann mach hier und jetzt Schluss damit!
Höre auf, dein Glück ständig aufzuschieben. Dein Leben ist dazu da, genossen zu werden! Und zwar jetzt. Nicht in 3 Monaten. Nicht in einem Jahr. Nicht, wenn du befördert wurdest und auch nicht, wenn du in Rente gehst. Jetzt. Und ohne, dass du es dir verdienen musst.
Genuss ist mehr als ein Bad bei Kerzenschein oder ein gutes Buch und eine Tasse Kakao.
Bilder wie diese schießen dir wahrscheinlich als erstes durch den Kopf, wenn du das Wort Genuss hörst.
Das ist auch ok. Wenn du dich voll auf diese Dinge einlässt und dich nicht 1000 Sorgen und Gedanken davon abhalten, diese Wohlfühlaktivitäten zu genießen, sind sie eine wichtige Form von Genuss.
Sie sind aber bei weitem nicht die einzige Möglichkeit, dein Leben bewusst zu genießen.
Dein Leben genießen: Mit diesen vier Arten des Genießens gelingt es dir
Fred Bryant und Joseph Veroff, zwei Psychologieprofessoren aus den USA, haben sich mit der Frage beschäftigt, was Menschen hilft, ihre Lebensqualität und Lebenszufriedenheit zu steigern und sind spezialisiert auf verschiedene Arten des Genusses (Savouring).
Momente des Genusses können sich auf Dinge im Außen richten (der Regenbogen am Horizont, die schöne Aussicht) oder auf Dinge in deinem Inneren (der Stolz, den du empfindest, wenn du etwas geleistet hast). Du kannst etwas in diesem Augenblick genießen (die wunderbare Praline, die auf der Zunge zergeht), in glücklichen Erinnerungen schwelgen (der letzte Urlaub zusammen mit deinen Liebsten) oder voller Vorfreude sein (übermorgen habe ich meinen Abschluss in der Tasche).
Eines ist all diesen Dingen gemeinsam: Wenn du etwas genießt, nimmst du einen schönen, stärkenden Augenblick bewusst wahr und kostest die mit ihm verbundenen positive Gefühle voll aus.
Schauen wir genau hin, ergeben sich vier verschiedene Arten des Genusses, die du in dein Leben einladen kannst. Lass beim Lesen mal einen Filter mitlaufen. Frage dich, welche dieser Genussarten integrierst du schon gut in deinen Alltag? Und bei welchen hast du das Gefühl, sie kommen zu kurz?
Nimm dir gern einen Stift und ein Blatt Papier zur Hand und beurteile jede der gleich folgenden vier Genussformen auf einer Skala von 1 bis 10. 1 heißt, dass du die Form (fast) nie erlebst. 10 bedeutet, dass du die entsprechende Form bereits ausreichend stark in deinem Alltag erlebst und kein Verbesserungspotenzial mehr siehst.
1. Dankbarkeit
Dankbar kannst du für alles Mögliche sein: Für deinen Mann, der dich nach einem harten Tag mit einem Glas Wein und deinem Lieblingsessen erwartet. Für das Schicksal, weil es dir so wundervolle Freunde oder gesunde Kinder geschickt hat. Oder für das Wetter, das die Natur zum Leben erwacht. Du kannst deinen Eltern dankbar sein, weil sie dir dein Leben geschenkt haben.
Dankbarkeit zu empfinden, schafft Genussmomente. Dabei spielt es keine Rolle, ob du dankbar für etwas Großes und Bedeutendes wie dein eigenes Leben, deine Kinder, einen bestimmten Job bist, oder für einen kleinen Moment des Glücks, wie die ersten Sonnenstrahlen nach einer Regenperiode.
Sie richtet sich nach außen, da du ja immer einer bestimmten Person gegenüber dankbar bist, oder auch dem Schicksal, Gott, einer höheren Macht oder wie du es nennen magst.
Im Normalfall bist du dir deiner Dankbarkeit auch bewusst. Du kannst sie reflektieren und in Worte fassen. Schließlich würdest du deinem Partner doch sicher um den Hals fallen und dich bedanken, wenn er mit deinem Leibgericht zuhause auf dich wartet, oder?
Wenn du mehr über Dankbarkeit und ihre positiven Effekte auf dein Wohlbefinden erfahren möchtest, schau lies diesen Blogartikel.
2. Staunen und Bewundern
Stell dir vor, du stehst auf dem Gipfel eines hohen Berges und bewunderst die fantastische Aussicht. Du läufst durch die Stadt und bleibst einen Moment stehen, um den Regenbogen zu betrachten, der sich am Himmel gebildet hat. Oder du spazierst durch den Wald und beobachtest die Blätter, die sich im Wind wiegen.
Bei dieser Genussform geht es um das klassische „Wow“-Gefühl. Du kennst das sicher auch. Du nimmst etwas im Außen wahr, sei es die atemberaubende Aussicht oder die Gänsehautstimme deines Lieblingssängers, und genießt einfach den Moment.
Du bist dann voll und ganz bei dem Gefühl, das dir dieser Moment gibt. Zu viele Gedanken und Worte würden dich dabei bloß ablenken. Deswegen hast du vermutlich, wie die meisten von uns, in solchen Situationen nicht viel zu sagen und bleibst beim typischen „Wow“ oder „Unglaublich“.
3. Stolz sein
Klopfst du dir auf die Schulter, wenn du eine Aufgabe mit Bravour gemeistert hast? Feierst du dich so richtig, wenn du einen tollen Vortrag gehalten hast? Bist du stolz auf dich, wenn du deine eigene Zeit beim Joggen für eine bestimmte Zeit unterboten hast?
Mach das, denn es lohnt sich! Stolz ist auch eine Form von Genuss. Sie richtet sich – im Gegensatz zu den zwei vorherigen Formen – nach innen.
Natürlich kannst du nur Stolz empfinden, wenn du dir deine Leistung bewusst bist. Du brauchst also dein bewusstes Wahrnehmen und Denken, damit du realisierst „hey, hier habe ich was Großartiges geleistet.“. Und wenn du so richtig stolz bist, wirst du das wahrscheinlich nicht für dich behalten wollen. Im Gegenteil. Vermutlich würdest du am liebsten jedem davon erzählen, wie souverän du deine Rede gehalten oder deinem Chef deine Idee verkauft hast und er darauf angesprungen ist.
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4. Sinnlich genießen
Der typische „Ich lasse mir die Schokolade auf der Zunge zergehen“-Genuss darf natürlich nicht fehlen. Es muss nicht immer Schokolade sein. Die Schokolade steht für das „mit allen Sinnen genießen“. Das geht auch, wenn du im Gras liegst und dir von den wärmenden Sonnenstrahlen deine Haut streicheln lässt. Oder, wenn du am Morgen das Haus verlässt und mit ein paar tiefen Atemzügen die kalte, frische, belebende Luft in dir aufnimmst.
In diesen Genussmomenten kommt es besonders auf dein emotionale Erleben an. Du konzentrierst dich mit allen Sinnen auf das Gefühl, das die Schokolade, die Sonne oder die Morgenluft in die erzeugen. Zu viele Gedanken oder gar Worte würden diesen Moment eher zerstören.
Mit welchen Strategien schaffst du es, mehr Genuss in deinen Alltag zu bringen?
Du hast nun gelernt, was Genuss bedeutet und in welchen Formen du ihn erleben kannst.
Wenn du bewertet hast, wie stark jede der vier Formen in deinem Alltag stattfindet, frage dich jetzt: Was fehlt dir am ehesten? Welche Genussart willst du fördern, vermehren und stärker in den Fokus nehmen? Egal, welche der vier Formen das ist, kannst du mit den drei Strategien, die ich dir nun vorstelle, dein Leben intensiver auskosten.
1. Verlängere deine Genusserfahrung
Du kannst eine Genusserfahrung ganz einfach verlängern, in dem du dich wiederholt daran erinnerst und Verbindungen zu anderen Erfahrungen aufbaust.
Erinnere dich zum Beispiel nochmal daran, wie du dich gefühlt hast, als man dir dein Abschlusszeugnis überreicht hat. Versetze dich zurück in die Situation, als du deiner besten Freundin um den Hals gefallen bist, weil sie euch Karten für ein bereits ausverkauftes Konzert deiner Lieblingsband besorgt hat. Gehe in Gedanken nochmal zurück zu dem Strand, dessen Schönheit dir den Atem geraubt hat. Oder schmecke erneut die Aromen, die du letztes Jahr beim 5-Sterne-Dinner mit deiner Zunge aufgenommen hast.
Noch besser funktioniert diese Strategie übrigens, wenn du dich nicht nur daran erinnerst, sondern auch anderen Menschen davon erzählst.
2. Vertiefe die Genusserfahrung
Du kostest dein Leben mehr aus, wenn du störende und ablenkende Nebeneinflüsse ausschaltest. So gelingt es dir, bestimmte (Genuss-)Momente bewusster wahrzunehmen und abzuspeichern.
Das heißt beispielsweise, dass du dein Essen nicht bloß runterschlingst, während du checkst, was es Neues auf Facebook oder Instagram gibt. Sondern, dass du dein Handy während des Essens weglegst und jeden Bissen bewusst wahrnimmst und genießt. Dass du die Kopfhörer beim Spaziergang mal aus den Ohren nimmst und die Natur um dich herum bewunderst.
Oder, dass du den kurzen Moment des Stolzes beim Abschließen einer Aufgabe voll auskostest, ohne in Gedanken schon bei der nächsten Aufgabe zu sein. Hast du beispielsweise ein wichtiges Kundentelefonat gut gemeistert? Hat dich dein Chef für dein Engagement gelobt? Oder hast du einfach nur ein weiteres To Do von deiner Liste gestrichen? Sei stolz auf dich! Erlaube dir, diese „Kleinigkeiten“ zu genießen. Sie sind extrem bedeutsam, denn sie formen deinen Umgang mit dir selbst.
3. Bewusstes Genießen
Etwas bewusst zu genießen, bedeutet, dass du den Moment voll und ganz wahrnimmst und auskostest. Das hat viel mit Achtsamkeit zu tun.
Statt zum Beispiel den Weg zur Bushaltestelle entlang zu hetzen, während du in Gedanken schon bei all den Aufgaben bist, die du heute auf der Arbeit erledigen musst, geh doch ein bisschen früher los und nimm einen Umweg, um die Schönheit der Natur wahrzunehmen. Genieße die Zeit an der frischen Luft. Vielleicht hörst du Vögel zwitschern. Oder das Rauschen der Blätter im Wind.
Koste auch die kleinen Glücksmomente voll aus. Wenn die ersten Tropfen der wohltuenden Dusche über deine Haut gleiten. Du nach der Arbeit den ersten Schritt in deine gemütliche Wohnung machst.
Wenn du die kleinen Dinge zu schätzen und bewusst wahrzunehmen lernst, wirst du schnell merken, dass dein Leben viel schöner wird.
Den gleichen intensivierenden Effekt kannst du erreichen, wenn du Genussmomente mit anderen teilst und so noch bewusster erlebst. Leckeres Essen, tolle Aussichten und Erfolgserlebnisse sind schließlich doppelt so schön, wenn du sie mit lieben Menschen teilen kannst, oder?
Miniurlaube: Eine Anleitung zu mehr Genussmomenten im Alltag
Zum Abschluss möchte ich dir noch eine klassische Übung zeigen, mit der du sicherstellst, in deinem Alltag genug Genussmomente zu erleben.
Fertige dir dazu eine Liste mit Aktivitäten an, die dir guttun und die du genießt. Liste kürzere und längere Aktivitäten auf und versuche, Dinge aufzuschreiben, die du allein machen kannst und auch solche, die du gemeinsam mit anderen ausführst. Am Ende enthält deine Liste bestenfalls mindestens 30 Aktivitäten. Zum Beispiel spazieren gehen, tanzen, mit Freunden ins Kino gehen, ein Buch lesen, einen Kaffee trinken, ein Bad nehmen, einen Weiterbildungskurs besuchen, ein Dankbarkeitstagebuch führen, eine Sehenswürdigkeit besichtigen usw.
Sieh die Aktivitäten auf dieser Liste als Möglichkeit für einen Miniurlaub zwischendurch.
Plane diese Miniurlaube nun fest ein, damit du den Genuss in deinem Leben nicht mehr dem Zufall überlässt. Schnappe dir deinen Kalender und trage deine Miniurlaube ein. Behandle sie wie jeden anderen wichtigen Termin.
Plan vor allem zu Beginn genügend Zeit für längere Aktivitäten (ca. 20 Minuten) ein, da längere Zeitfenster dir beim inneren Umschalten helfen. Natürlich kannst du zusätzlich beliebig viele kurze Miniurlaube einplanen.
Wenn du schließlich ins konkrete Tun kommst, steht an erster Stelle, dass du die geplanten Miniurlaube auch wirklich einlegst. Nutze die Zeit und genieße sie bewusst. Versuche, alle Gedanken und Sorgen loszulassen, die dir das Leben schwer machen. Es bringt nämlich überhaupt nichts, wenn du in der Badewanne liegst und über deinen Job grübelst. Wenn du merkst, dass du nicht mehr richtig abschalten kannst, können dieser oder dieser Artikel Abhilfe schaffen.
Nimm dir am Ende der ersten Woche Zeit für einen Rückblick und reflektiere, wie du die geplanten Mini-Urlaube umgesetzt hast.
Dadurch kannst du die Erfahrungen emotional nochmal erleben (was, wie du gelernt hast, deinen Genuss verlängert), und dir Gedanken über die nächste Woche machen.
Das Ziel ist, die Miniurlaube nach und nach fest in deinen Alltag zu integrieren.
Das war’s für heute!
Du hast jetzt das nötige Know-How und hoffentlich genügend praktische Strategien an der Hand, um dein Leben von nun an besser und intensiver zu genießen.
Welche der Genussarten erlebst du bereits häufiger in deinem Alltag und an welchen willst du in Zukunft noch arbeiten? Welche der Strategien möchtest du für dich ausprobieren? Hinterlasse wie immer gern einen Kommentar und berichte mir von deinen Erfahrungen.Selbstfürsorge ist (d)ein Thema?
Kennst du schon die Artikelserie “Ich denk an mich!” voller Strategien und Inspirationen für mehr Selbstfürsorge? In Teil 1 lernst du, warum Selbstfürsorge so wichtig ist und welche wissenschaftlich bewiesenen Vorteile es hat, aktiv für dich selbst zu sorgen. In Teil 2 erfährst du, wieso echte Selbstfürsorge mehr ist als ein Bad zu nehmen und wie Selbstfürsorge im Alltag aussehen kann. In Teil 3 lernst du, wie du dich besser abgrenzen und Nein sagen kannst – und zwar ohne ein schlechtes Gewissen. Da klar ist, dass die meisten von uns wenig Zeit haben, liefert dir Teil 4 Inspirationen für kleine Selfcare-Momente, die du ganz leicht und spielerisch in deinen Alltag integrieren kannst. Selbstfürsorge to go eben! In Teil 5 zeige ich dir schließlich, wie es dir gelingt, dich selbst freundlicher und mitfühlender zu behandeln.PS: Sharing is caring: Wenn dir der Artikel gefallen und geholfen hat, teile ihn jetzt mit deinen Liebsten und mit allen Menschen, denen das Wissen auch weiterhelfen kann. Dankeschön!