Wäre es nicht wunderbar, wenn die großen Stürme des Lebens einfach an dir abprallen würden? Wenn du Krisen und Schicksalsschläge locker wegstecken könntest? Und dich selbst die kleinen zahlreichen Mini-Stressoren in deinem Alltag nicht mehr auf die Palme bringen könnten – sei es dein cholerischer Chef oder deine aufgedrehten Kids?
Wenn du jetzt denkst „träum weiter – wie soll denn das gehen“ bist du hier genau richtig. Denn auch wenn du es mir jetzt erst einmal nicht glaubst: Dafür brauchst du keine unmenschlichen Superkräfte. Sondern nur die Fähigkeit, deine inneren Ressourcen dann zu aktivieren, wenn sie gebraucht werden. Und damit deine psychische Widerstandsfähigkeit auszubauen: Resilienzförderung zu betreiben.
In diesem und dem Artikel in der nächsten Woche will ich mit dir einen Blick auf resiliente Menschen werfen: Welche Fähigkeiten und innere Haltungen sind bei ihnen besonders stark ausgeprägt? Wodurch gelingt es ihnen, ihren stressigen Alltag mit all seinen Höhen und Tiefen so souverän zu meistern?
Ich kann dir wärmstens empfehlen, dir ein paar dieser Denk- und Verhaltensweisen abzugucken. Denn sie bringen dich deinem stressfreien und glücklichen Leben ein großes Stück näher. Lass uns gemeinsam auf Entdeckungsreise gehen: Auf welchen Resilienz-Kompetenzfeldern bist du bereits gut aufgestellt? In welchen Bereichen sollten wir deine Resilienzförderung vorantreiben und gemeinsam schauen, wie wir noch eine Schippe drauf legen können?
Was resiliente Menschen auszeichnet – die 8 Kompetenzfelder
Viele Forscher haben sich mit der spannenden Frage auseinandergesetzt, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen sich hinter dem neuen Zauberwort Resilienz verbergen. Und zwar vor allem deshalb, um Erkenntnisse darüber zu erlangen, wie sie schnellstmöglich deine Resilienzförderung ankurbeln können. Wie du dir sicher vorstellen kannst, sind in diesem Zuge einige Modellvorstellungen und Konzepte entstanden, die sich mehr oder weniger ähnlich sind. Auch wenn die Resilienzforschung noch sehr neu und die Ansatzpunkte verschieden sind, gibt es mittlerweile sehr klare Faktoren, die in Verbindung stehen mit der Fähigkeit, die Stürme des Lebens unbeschadet zu überstehen und aus ihnen gestärkt hervor zu gehen.
Ich möchte dir acht Resilienz-Kompetenzfelder vorstellen. 7 Kompetenzfelder basieren auf den von den beiden amerikanischen Psychologen Andre Shatté und Karen Reivich entwickelten Säulen der Resilienz. Ich habe sie um ein achtes Kompetenzfeld, die soziale Unterstützung, ergänzt. Das ist nachweislich nämlich eine der wichtigsten Resilienzfaktoren.
Da ich dir nicht zumuten möchte, dich in einem einzigen Artikel durch alle Kompetenzfelder schlagen zu müssen, es mir aber sehr am Herzen liegt, dass du alle aufmerksam liest, habe ich beschlossen, sie aufzuteilen. Diese und nächste Woche lernst du vier Resilienz-Kompetenzfelder kennen.
Nun aber genug Vorinformationen – lass uns endlich loslegen: Welches sind die ersten 4 der insgesamt 8 Faktoren, die dir dabei helfen, persönliche und berufliche Belastungen und Anforderungen (noch) konstruktiv(er) zu bewältigen? Welche Kompetenzen haben resiliente Menschen aufgebaut und trainiert? Was kennzeichnet mental starke Menschen?
Kompetenzfeld 1: Emotionssteuerung
Wir sollten nicht vergessen, dass die kleinen Gefühle die großen Kapitäne unseres Lebens sind, denen wir gehorchen, ohne es zu merken.
Vincent van Gogh
Mit diesem Zitat bringt Vincent von Gogh ziemlich gut die Macht deiner Emotionen und Gefühle zum Ausdruck. Die du bestimmt auch schon des Öfteren erlebt hast. In Situationen zum Beispiel, in denen du dir eigentlich vorgenommen hast, ruhig und gelassen zu bleiben. Wo du dich dann jedoch völlig von den aufkommenden Emotionen leiten lässt. Wenn dein Partner mal wieder nicht die Spülmaschine ausgeräumt hat, obwohl ihr extra einen Haushaltsplan gemacht habt. Und du ihn, sobald er die Tür aufschließt und eure Wohnung betritt, ordentlich anschreist. Wenn dir deine Freundin für deine Geburtstagsfeier absagt, und du ihr eine trotzige und beleidigte Antwort hinterlässt. Ohne überhaupt zu wissen, wieso sie nicht kommen kann.
Der „richtige“ Umgang mit deinen Gefühlen: Wieder Herr der Lage werden
Wodurch zeichnen sich nun resiliente Menschen aus? Etwa darin, dass sie überhaupt keine negativen Emotionen wie Wut, Eifersucht, Verletzung und Enttäuschung empfinden? Oh doch, das tun sie definitiv! Und das ist auch gut so, denn deine negativen Gefühle haben genauso ihre Daseinsberechtigung wie positive und sind mindestens genauso wichtig. Es sollte also nicht dein Ziel sein, diese zu unterdrücken, denn davon hast du überhaupt nichts. Außer dass sie später irgendwann mit geballter Kraft zurückschlagen.
Resilienten Menschen gelingt es aber sehr gut, ihre negativen Emotionen wahrzunehmen. Sie schaffen es, eine Metaperspektive auf sich und ihr Empfinden einzunehmen. Im nächsten Schritt ergreifen sie dann passende Gegenmaßnahmen, damit sie sich wieder besser fühlen. Sie ignorieren auch ihre Gefühle nicht oder versuchen, sie nicht zu fühlen. Anstelle dessen beschäftigen sie sich damit und versuchen, das Problem an der Wurzel zu packen.
Na, kommt dir das bekannt vor?
Lass es mich dir am Beispiel von eben erklären. Natürlich stark vereinfacht, aber ich bin mir sicher, du siehst gleich, was ich meine. Also: Okay, du bist tierisch sauer auf deinen Partner und könntest ihm in dem Moment den Kopf abreißen. Bevor du aus der Haut fährst, atme mal tief durch und versuche, nicht sofort zu reagieren. Lenke dich ab. Nein, nicht, indem du die Türen schlägst oder was weiß. Mach anstelle doch etwas, das dir gut tut. Trink einen Tee, nimm ein Bad oder erledige von mir aus auch irgendetwas. Und dann, wenn du runter gekommen bist und nicht mehr brodelst wie ein Vulkan, dann fragst du dich, warum du dich so aufregst und was dich die Palme hochklettern lässt.
Wenn du dich abgeregt hast, suchst du am Abend in Ruhe das Gespräch, erklärst ihm deine Auffassung und dass dich sein Verhalten gestört hat. Sprich von deinen Gefühlen und bleib bei deinen Bedürfnissen. Formuliere am Ende eine Bitte. So steigt die Wahrscheinlich, dass er einlenkt, Verständnis zeigt und deine Wünsche in Zukunft beherzigt. Und es verhindert, dass der Abend in Anschrei-Kaskaden endet.
Emotionssteuerung meint auch: die positiven Dinge wahrzunehmen
Resiliente Menschen sind aber noch mit einer weiteren positiven Eigenschaft in Hinblick auf ihre Emotionssteuerung ausgestattet. Sie sind in der Lage, selbst in schwierigen und belastbaren Situationen (z.B. gefühlter Dauerstress) nicht nur auf Negatives zu fokussieren. Sondern trotzdem noch Positives wahrzunehmen und sich dadurch in einen angenehmen Gefühlszustand zu versetzen. Zum Beispiel, in dem sie sich auf dem Heimweg von der Arbeit über die schönen Blumen am Straßenrand erfreuen (obwohl es ein ganz furchtbarer Tag im Geschäft war), das Lächeln eines Passanten bemerken und die ausgelassene Freude von spielenden Kindern bewundern. Dadurch schließen sie trotz des Tages die Wohnungstür mit einem Lächeln auf.
Kurz und knapp kann man sagen: Resiliente Menschen schaffen es, selbst mehr positive Gefühle zu erzeugen als negative und durch die Regulierung ihrer Gefühle, ihren Gemütszustand in Balance bringen.
Und, wie sieht’s bei dir aus? Wie gut bist du auf dem Kompetenzfeld Emotionssteuerung aufgestellt?
Stell dir eine Skala von 0 bis 100 vor. Auf dieser Skala sollst du dich bewerten. 0 bedeutet „totaler Anfänger“ (der es noch nicht drauf hat) und 100 „bereits Vollprofi im Umgang mit deinen Emotionen“, der Resilienzförderung in diesem Bereich nicht mehr wirklich nötig hat. Wo würdest du dich verorten?
Mit den folgenden Fragen kannst du checken, wie du im Moment unterwegs bist:
-Wie gut kannst du dich emotional von Verlusten und/oder Niederlagen erholen?
-Kannst du positive Emotionen regelmäßig und bewusst herbeiführen und sie auskosten?
-Gelingt es dir, deine Gefühle differenziert wahrzunehmen und zu analysieren? (d.h. kannst du genau sagen, was du fühlst anstelle nur „gut“ oder „schlecht“ sagen zu können)
-Kommst du gut mit Situationen aus, die eine hohen Grad an Mehrdeutigkeit und Ungewissheit aufweisen?
– Bist du in der Lage, deine Emotionen zu spüren ohne dich von ihnen dauerhaft übermannen zu lassen?
Kompetenzfeld 2: Realistischer Optimismus
Resiliente Menschen kultivieren eine bestimmte innere Haltung: Die Überzeugung, dass sich Dinge auch wieder zum Guten wenden können und werden. Das heißt nicht, dass sie alles durch die rosarote Brille sehen. Oder leugnen, dass es schwierige Phasen und Zeiten im Leben gibt. Aber resiliente Menschen glauben, dass es immer „ein Licht am Ende des Tunnels“ gibt.
Verabschiede dich von Jammereien und konzentriere dich auf Positives
Diese Überzeugung gibt ihnen Mut, Zuversicht und Kraft, auch in ungünstigen und schweren Momenten das Beste rauszuholen. Resilienten Menschen gelingt es, sich von einer allgemein negativen Sicht auf die Dinge zu lösen. Sie glauben eben nicht, dass das Leben „ein Jammertal ist“ oder „es nicht gut mit ihnen meint“ („Wieso immer ich?“). Ihre realistische Einschätzung der Realität lässt sie in jeder Situation eine Sinnhaftigkeit und etwas Positives entdecken. Das Glas ist halbvoll und nicht halbleer.
Lass uns diese Denkweise mal aufs echte Leben übertragen. Ich habe mich vor ein paar Tagen beispielsweise mit einer Person ausgetauscht, die an der Krankheit MS (Multiple Sklerose) leidet. Du kannst dir sicherlich gut vorstellen, dass man nach so einer Diagnose nicht auf rosa Wolken hüpft. Als wäre dies noch nicht genug, hat sich ihr Mann noch von ihr getrennt.
Was sie zu mir gesagt hat? Dass sie sich durchkämpfen wird. Sie hat erkannt, dass es sie nicht weiter bringt, in depressive Verzweiflung zu verfallen. Oder zum Pessimisten zu mutieren und ab jetzt alles nur noch schwarz zu sehen. Und dass es trotz dieser Rückschläge immer noch genügend schöne Dinge gibt, die das Leben lebenswert machen. Sie will einen Schritt nach dem anderen gehen. Sich jetzt auf diesen Tag besinnen. Und sie sagt sich einen Mutmachersatz, der ihr Zuversicht gibt. Gleichzeitig weiß sie, dass die MS schubweise schlimmer werden wird. Und bereitet sich darauf vor.
Das ist resilientes Verhalten: Annehmen, was im Moment ist, und dennoch optimistisch und freudig, gleichzeitig jedoch realistisch in die Zukunft schauen. Denn es würde sie auch nicht weiterbringen, ihre nun mal schwierige, belastende Situation herunterzuspielen und im Sinne eines Träumenden Dinge zu erwarten, die nie eintreffen werden. Dies würde nur verhindern, dass sie sich mit sich selbst und ihren –in diesem Fall durchaus angebrachten negativ-ängstlichen Gefühlen auseinandersetzt.
Und nun kommt wieder meine Frage an dich. Was würdest du sagen? Bist du realistisch optimistisch? Oder wohl doch eher ein hoffnungslos träumender Optimist oder gar ein Pessimist?
Auf einer Skala von 0-100 Prozent, wo würdest du dich einordnen? Um herauszufinden, inwiefern wir deine Resilienzförderung in diesem Bereich ankurbeln sollten, könntest du dich fragen, ob du…
…daran glaubst, dass die Dinge am Ende gut ausgehen werden.
…Chancen ergreifst, die sich auftun.
…denkst, dass du Schwierigkeiten erfolgreich meistern wirst.
…dazu neigst, alles durch die berühmte rosarote Brille zu sehen und dabei deine Erfolge zu über- die Risiken jedoch zu unterschätzen.
…schwierige Lebensphasen als vorübergehend einschätzt.
Kompetenzfeld 3: Soziale Unterstützung
Auch wenn der Faktor soziale Unterstützung im Konzept der 7 Säulen von Andre Shatté und Karen Reivich nicht vorkommt, weist jegliche Forschung zu Stress, Wohlbefinden und Zufriedenheit auf die entscheidende Bedeutung dieser Ressource hin. Ich denke, das kannst du auch mit nur einem einzigen Blick auf dein Leben bestätigen. Wenn wichtige Dinge und Ereignisse in deinem Leben anstehen, dann beschreitest du diese in der Regel nicht alleine, sondern mit anderen Menschen zusammen. Als soziales Wesen bist du stets eingebettet in ein Netzwerk von Beziehungen. Im besten Fall sind das Beziehungen, die dir gut tun. Die dich stärken, dir Kraft spenden. Dich ermuntern und mit denen du auch ganz einfach „eine gute Zeit“ haben kannst. Wenn das so ist, dann Glückwunsch. Denn soziale Unterstützung und gute Beziehungen wirken wie ein Puffer auf negative Ereignisse, die dir widerfahren.
Neben der stressmildernden Funktion machen funktionierende soziale Beziehungen vor allem eines: dich glücklich. Sie stellen also Ressourcen in beide Richtungen dar. Ressourcen, die resiliente Menschen besonders gut nutzen. Sie haben nämlich ein größeres soziales Netzwerk und pflegen mehr positive, intakte Beziehungen. Außerdem sind sie in der Lage, negative Beziehungen zu beenden und nehmen sich dafür umso mehr Zeit für einzelne, wichtige Menschen.
Soziale Beziehungen zu pflegen geht nur mit übermäßig viel Zeit? Irrtum!
Schon klar: Es ist auf den ersten Blick gar nicht so einfach, sich bei einem vollen Terminkalender um seine sozialen Kontakte zu kümmern. Doch ich kann dir versichern: Du hast Zeit für die Pflege deiner sozialen Beziehungen, selbst wenn du dich jetzt fragst, wie und vor allem wo du das denn jetzt auch noch unterbringen sollst. Denn genau das ist eine weit verbreitet Fehlannahme von vielen: Man bräuchte total viel (Frei-) Zeit (die du leider nicht hast), um für deine Lieben da zu sein und ihnen deine Zuneigung zu zeigen.
Stell dir vor, dass dir dein Kollege deinen Lieblingscafé mitbringt, dir dein Chef bei der nächsten Teambesprechung vor versammelter Mannschaft dankt oder dir dein Partner einen lieben Brief schreibt. Bei all diesen Verhaltensweisen wird sich bei dir ein wohliges Gefühl einstellen; sie sind Zeichen von Wertschätzung. Waren dafür von den anderen Menschen Dinge nötig, die sie besonders viel Zeit gekostet haben? Wohl kaum. Das muss es auch gar nicht. Es kann dir auch mit kleinen Gesten und Verhaltensweisen (die super in deinen vollen Terminkalender passen 😉 ) gelingen, deine Mitmenschen zu zeigen, dass du ihnen wichtig bist. Personen, die diese Ressource und große Glücksquelle nicht nutzen und überhaupt keine Zeit und Mühe in die Pflege von sozialen Beziehungen investiert, verpassen eine Menge.
Zwischenmenschliche Beziehungen sind dafür da, dass du sie auch nutzt!
Vielleicht kennst du auch jemanden, der denkt, immer alles alleine schaffen zu müssen? Und zu stolz ist, um Hilfe zu bitten, selbst wenn er sie gerade bitter nötig hätte? Stell dir vor, deine überaus kompetente und ehrgeizige Kollegin hat eine Stunde vor Feierabend noch einen Eilauftrag von euerm Chef erhalten. Sie weiß prinzipiell ganz genau, dass sie das nie und nimmer alleine schaffen würde. Und ist in ihrem Innern erstens unheimlich wütend, zweitens total verzweifelt und weiß drittens nicht, was sie nun machen soll. Anstelle dich oder jemand anderen zu fragen, tut sie nach außen jedoch so, als hätte sie alles wunderbar im Griff. Die Folge: Sie macht 3 Überstunden und betritt an diesem Abend abgearbeitet und schlecht gelaunt ihre Wohnung. Als sie kurze Zeit später ins Bett geht, ist natürlich an Abschalten und an Schlaf nicht zu denken.
Was ich dir mit diesem Beispiel deutlich machen wollte? Dass es unheimlich wichtig ist, dass du dich traust, dein soziales Netzwerk auch und gerade in Notsituationen zur Hilfe zu nehmen. Zeige deine wahren Emotionen, sage ihnen offen und ehrlich wie es dir geht und beziehe sie mit ein. Nur so kann sich der schützende und aufbauende Effekt von sozialer Unterstützung auch entfalten.
Wie ist es um deine soziale Unterstützung bestellt? Welchen Wert würdest du dir geben, auf unserer gedachten Skala von 0 – 100?
Diese Fragen hier geben dir einen Anhaltspunkt, wo du stehst:
-Nimmst du dir regelmäßig genügend Zeit, um deine sozialen Beziehungen zu pflegen?
-Hast du Menschen, mit denen du wohlwollend über deinen Alltag, deine Gefühle und dein Wohlbefinden sprechen kannst?
-Gibt es Menschen, bei denen du weißt, dass sie hinter dir stehen, was auch immer passiert?
-Nutzt du deine vorhandene soziale Unterstützung auch und kontaktierst deine Lieben auch dann, wenn du es tatsächlich nötig hast und es dich entlasten würde?
Kompetenzfeld 4: Kausalanalyse
Du bist schon drei Tage hintereinander einfach nur schlecht gelaunt. Gehst du deiner Miesmacher-Stimmung auf die Schliche? Solltest du auf jeden Fall tun! Denn wenn du nicht analysierst, wo der Ursprung für deine schlechte Laune bzw. deine Gefühle allgemein liegt, kannst du auch nicht die richtigen Entscheidungen und Maßnahmen treffen, um daran etwas zu ändern.
Resiliente Menschen weisen eine ausgeprägte Selbstreflexion auf. Dadurch gelingt es ihnen, Ursachen für Rückschläge und damit einhergehende negative emotionale Zustände zutreffend zu identifizieren. Sie durchdenken viele potenziell mögliche Lösungs- und Handlungsstrategien, die ihr Wohlbefinden wieder herstellen. Sie nehmen also keine Opferrolle ein, sondern werden selbstbestimmt aktiv und bleiben so handlungsfähig.
Wissen, was du wirklich willst: Wieso du dich selbst unter die Lupe nehmen solltest
Lass mich dir das genauer erklären. Stell dir vor, du hast Streit mit deinem Partner. Es geht um eure Beziehung, die in letzter Zeit nicht mehr so rund läuft. Als ihr überlegt, an was es liegen könnte, fallen dir vorwiegend Dinge ein, die dich an ihm stören und ihm Verhaltensweisen an dir, die seiner Meinung nach für die Beziehungsflaute verantwortlich sind. Du wirfst ihm an den Kopf, er lebe nur noch für seine Arbeit. In dem Moment, in dem du diese Vorwurfshaltung eingenommen hast – was denkst du, welche Reaktion du von deinem Partner kommt? Wohl kaum eine einsichtsvolle – stattdessen wird er versuchen, sich zu rechtfertigen (eigentlich „sich und seinen Selbstwert zu schützen“).
Hättest du dir jedoch im Vorfeld die Zeit genommen, zu analysieren und herauszufinden, welcher Wunsch tatsächlich hinter deinem Vorwurf steckt, hätte sich euer Gespräch ganz anders entwickelt. Dein eigentliches Anliegen ist es nämlich, mehr Zeit mit deinem Partner zu verbringen. Wenn du weißt, wo deine emotionale Erregung herkommt, kannst du im nächsten Schritt das richtige tun: Deinem Partner aufrichtig sagen, dass du ihn vermisst und ihn nicht (immer) mit seiner Arbeit teilen willst. Dann wäre aus dem Streitabend vielleicht ein Kuschelabend geworden und die Wahrscheinlichkeit auf ganz viele weitere in der Zukunft erheblich in die Höhe geschnellt ;-).
Vielleicht hättest du dich auch gefragt, ob dein Partner und sein Verhalten überhaupt der Ursprung für deine Gefühle sind. Möglicherweise triggern dich irgendwelche Glaubenssätze oder alten Muster und Sehnsüchte, die überhaupt nichts mit deinem Partner zu tun haben, sondern bei denen du ganz allein für dich selbst Veränderungen erwirken solltest anstelle sie auf deinen Partner abzuwälzen.
Resiliente Menschen wissen also durch ihre ständig stattfindende Selbstanalyse wie der Hase in ihrem Inneren läuft.
Sie kennen also ihren mentalen Autopiloten, wissen um ihre inneren Kritiker, ihre Antreiber und die Denkfallen, in die sie immer gerne tappen ( wie z.B. personalisieren („Mir passiert etwas…“), generalisieren („Alles ist immer schlecht…“) oder katastrophisieren („ein kleines Missgeschick ist die absolute Katastrophe“) ). Na, wiedererkannt?
Auch hier interessiert mich (und dich hoffentlich auch): Wie hoch scorst du (von 0-100) im Kompetenzfeld Kausalanalyse?
Überleg mal: Inwiefern…
… reflektierst du über gemachte Erfahrungen und ziehst Konsequenzen daraus?
…bist du in der Lage, Probleme kreativ und pragmatisch zu analysieren?
…hinterfragst du dich, deine Haltung und deine Verhaltensweisen selbstkritisch (ohne dich im Kreis zu drehen!) und erkennst, dass es noch andere Ansichten und Möglichkeiten als deine gibt?
…kennst du dein implizites Steuerungsprogramm? Deine eigenen Antreiber und Automatismen, die dir das Leben schwer machen könnten?
…setzt du dich bewusst mit genau diesem mentalen Autopiloten auseinander?
Du bist am Ende des ersten Teils angekommen. Die anderen 4 Kompetenzfelder werde ich dir in einem zweiten Artikel nächste Woche vorstellen. Es geht also mindestens genauso spannend weiter! Ich hoffe, du hast jetzt schon bereits ein besseres Bild von mental starken Menschen als vorher. Und einen ersten Eindruck davon, an welchen Stellen wir bei deiner eigenen Resilienzförderung am ehesten und intensivsten ansetzen müssen.
Diese Woche bekommst du einen kleinen Beobachtungsauftrag. Schließlich sollst du das theoretisch Gelesene für deinen Alltag nutzen. Suche dir für jeden der 4 beschriebenen Kompetenzfelder eine Person in deinem Umfeld, bei denen die resilienten Verhaltensweisen dieses Feldes bereits stark ausgeprägt sind und beobachte, in welchen Situationen sie wie handeln. Bei dem einen Feld hast du vielleicht bereits schon jemandem im Kopf, beim anderen musst du dich ein wenig mehr anstrengen. Natürlich kannst auch du selbst als Prototyp für eines der Kompetenzfelder fungieren, falls du überdurchschnittlich hoch gescored hast. Dann besteht deine Aufgabe darin, dich für die Woche bezüglich der beschriebenen Verhaltensweisen selbst zu beobachten.
Ich bin unheimlich gespannt, ob und wie dir diese herausfordernde Aufgabe gelingt und würde mich über Berichte, Beobachtungen und Erzählungen in einem Kommentar sehr freuen.
PS: Sharing is caring: Wenn dir der Artikel gefallen und geholfen hat, teile ihn jetzt mit deinen Liebsten und mit allen Menschen, denen das Wissen auch weiterhelfen kann. Dankeschön!
Wieder ein toller Artikel.danke Ulrike.Das Soziale ist wirklich wichtig für uns.Das sollen wir nicht vergessen.Wirklich!!!
Liebe Eveli,
hab ganz vielen Dank für dein Feedback. Und ja, ich bin ganz fest überzeugt, dass das Soziale für uns eines der Schlüsselelemente ist. Wie oft vergessen wir das vor lauter Hektik oder weil unsere inneren Sklaventreiber uns einreden wollen, wir müssten, um uns stark fühlen zu können, alles allein schaffen… Alles Liebe für dich, Ulrike