Bist du ein Mensch, der viel für andere da ist? Der ständig versucht, seinen Freunden, Familienmitgliedern und Kollegen zu helfen bzw. deren Probleme aus der Welt zu schaffen? Anderen zur Seite zu stehen ist wunderbar. Aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Sprich mir nach: Ich bin NICHT für die Probleme und Gefühle meiner Mitmenschen verantwortlich.
Wieso es dir so schwer fällt, dich nicht verantwortlich zu fühlen
Glaub mir, ich verstehe und kenne das nur zu gut. Wenn es jemand anderem schlecht geht, ist es für viele von uns scheinbar unmöglich, nichts zu tun. Nicht einzugreifen oder nicht zu helfen.
Insbesondere dann, wenn es jemand ist, der dir sehr nahe steht wie beispielsweise deine Eltern, dein Partner, deine Kinder oder deine besten Freunde. Du würdest sicher alles Erdenkliche tun, um ihnen wieder ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Wenn das nicht geht, willst du wenigstens dafür sorgen, dass das Problem aus der Welt geschafft wird. Es ist einfach schlimm und unangenehm für uns, mit anzusehen, wie einer unserer Liebsten leidet.
Es gibt gute Gründe, wieso du dich so sehr für den Gefühlszustand oder gar das Leben anderer verantwortlich fühlst. Diese zu kennen, macht es leichter, dass du dieses Verhalten hinter dir lässt, weil du nicht mehr so reflexhaft in die „Ich mach das schon“-Falle tappst. Es schafft aber auch ein Verständnis für dich selbst, denn es spricht eher für dich als Mensch, dass du anderen so zur Seite springst.
1. Du bist ein soziales Wesen und tust grundsätzlich gut daran, dich um das Wohlergehen anderer zu kümmern!
In der Steinzeit schlossen sich Menschen vor allem deshalb in Gruppen und Gemeinschaften zusammen, weil es dadurch wahrscheinlicher wurde, dass möglichst viele von ihnen überlebten. Wenn sie sich zum Beispiel vor einem Säbelzahntiger verteidigen mussten. Oder aber sie durch den panischen Blick eines anderen wussten, dass Gefahr drohte und nur deshalb überlebenswichtige Fluchtmaßnahmen ergreifen konnten.
Obwohl du heute natürlich nicht in erster Linie Bindungen und Beziehungen eingehst, um am Leben zu bleiben, ist dieser Teil dennoch evolutionsbiologisch in dir angelegt.
Unser Wunsch nach Verbundenheit besteht vor allem auf der emotionalen Ebene. Spiegelneuronen in deinem Gehirn sorgen dafür, dass du die Emotionen und Gefühle deines Gegenübers nicht nur wahrnimmst, sondern eben auch mitfühlst. Sie wirken wie Gefühlsantennen, durch die du ein besonderes Gespür für den Wohlbefindenszustand von anderen hast.
Dein Schmerz ist mein Schmerz.
- Sicherlich hast du schon mal erlebt, dass du intuitiv wahrgenommen hast, wie es deinem Gesprächspartner geht. Unabhängig davon, ob bereits irgendetwas gesagt wurde. Selbst wenn der andere behauptet, es gehe ihm gut, ahnt und spürt etwas in dir sehr genau, wenn dem nicht so ist.
- Oder du kennst das vielleicht, wenn eine Person einen Raum betritt und sich die komplette Stimmung schlagartig verändert. Zum guten, wenn sie eine positive Ausstrahlung hat. Oder zum schlechten, wenn es sich um einen Nörgler und Miesepeter handelt.
Ich bin sicher, du kennst solche Übertragungsphänomene. Sie sind überaus sinnvoll! Denn nur dadurch sind wir in der Lage, uns in andere Menschen hineinzuversetzen. Sie voll und ganz zu verstehen – und zwar nicht nur auf der rationalen Ebene.
Erst dadurch wird Empathie, Verständnis und Mitgefühl überhaupt möglich.
Und es machst es leichter verständlich, wieso du den Drang, der anderen Person zu helfen umso stärker spürst, je feiner deine „emotionalen Antennen“ für deine Mitmenschen sind. Wer spiegelneuronentechnisch als Neandertaler unterwegs ist, hat dieses Thema in weitaus geringerem Maße.
2. Negative Gefühle sind in unserer Gesellschaft wenig toleriert und geschätzt
Wie stehst du zu „negativen“ Gefühlen wie Traurigkeit, Scham, Wut, Ärger, Neid, Angst, Eifersucht oder Unsicherheit?
Ich frage dich das deshalb, weil ich den Eindruck habe, dass wir mehr und mehr in einer Positiv-Gesellschaft leben.
Das heißt (leider) nicht, dass wir überdurchschnittlich glücklich sind, sondern dass der Großteil der Menschen möglichst nur noch positive Gefühle erleben möchte.
Spaß, Freude, Genuss, Lust… natürlich ist das schön. Aber das ist eben nur eine Seite der Medaille.
Das Leben ist nun mal Dualität.
Es gibt nicht nur den Tag. Oder nur den Sommer. Nur die Sonne, nur das Licht. Sondern auch Nacht, Winter, Regen und Schatten. Genauso ist es auch bei deinen Gefühlen.
Es ist mittlerweile wissenschaftlich bewiesen, dass Menschen, die das GESAMTE Gefühlsspektrum erleben, d.h. sich für ALLE Gefühle öffnen, deutlich glücklicher sind als solche, die nur versuchen, auf der Positiv-Seite zu bleiben. (Lies in diesem Artikel, wieso negative Gefühle zu Unrecht einen schlechten Ruf haben und wieso sie genauso wichtig und richtig sind wie positive.)
Was hat das alles mit unserem Thema zu tun?
Ganz einfach: da die meisten Menschen negative Gefühle nicht spüren wollen, versuchen sie alles, was negative Gefühle in ihnen auslöst, zu umgehen. Oder sie so schnell wie möglich weg zu kriegen, wenn sie da sind. Da du ja nun weißt, dass es sich auf dich überträgt, wenn andere leiden, hältst du ihr Leid nur schwer aus, da es in gewisser Art zu deinem wird.
Also versuchst du alles in deiner Macht Stehende zu tun, um die negativen Gefühle beim anderen – und damit auch bei dir – loszuwerden.
Das kennst du sicherlich auch aus deinem Alltag. Wenn beispielsweise jemand, den du gerne hast, traurig ist und weint. Und es dein erster Impuls ist, ihn mit tröstenden Worten und Gesten aufzumuntern.
Oder nehmen wir an, dass dein Partner total wütend und aufgebracht von seinem langen Arbeitstag nach Hause kommt und sich maßlos über seinen Chef aufregt.
Wenn du ehrlich bist, wirst du wahrscheinlich nichts in die Richtung sagen wie: „Ich merke, dass du sehr wütend bist. Ich würde dir vorschlagen, dich deiner Wut und deiner inneren Unruhe zuzuwenden.“ Viel schneller hast du eine Aussage parat, die sinngemäß meint: „Ach, ist doch nicht so schlimm. Mach dir nichts draus, morgen wird’s wieder anders laufen.“
Je weniger du negative Gefühle selbst als normalen Teil deines Lebens akzeptierst, umso wahrscheinlicher ist es auch, dass du die Gefühlswelt von anderen zum Positiven verändern willst.
3. Du kannst in der vermeintlichen Retter-Rolle glänzen.
Jeder von uns assoziiert mit „retten“ etwas Ehrenhaftes und Lobenswertes. Etwas, weswegen du dich gut und bedeutsam fühlen darfst und kannst.
Das stimmt für Feuerwehrleute, die Menschen – Opfer, die sich nicht selbst helfen können – aus dem brennenden Haus retten. Wer jemanden rettet, ist wichtig. Kann sich gut fühlen. Stolz sein.
Gefühle, die auch du sicher gern spürst.
Und zwar umso mehr, je weniger du diese Gefühle in deinem sonstigen Alltag oder aus dir heraus spürst. Je weniger du dich selbst als wichtig, toll, großartig und spitze erlebst, umso leichter steigst du in das „Ich spiel mich als Retter auf“-Spiel ein.
Getarnt als „Ich fühle mich für dich und dein Wohlergehen verantwortlich“ erzeugst du dir gute Gefühle. Oder vermeidest zumindest deine eigenen unangenehmen Baustellen.
Es könnte also sein, dass dieses „anderen helfen“ eine willkommene Ablenkungsstrategie für dich ist, um deine eigenen Gefühle und Probleme nicht sehen zu müssen.
Die Retter-Sache hat noch einen Haken. Der Retter braucht das Opfer. Der Prinz kann sich heldenhaft fühlen, weil er die arme Prinzessin vor dem fürchterlichen Drachen rettet. Damit hält er aber die Hilflosigkeit der Prinzessin aufrecht.
Denn wie sollte sie Strategien und Wege lernen, wie sie selbst mit gruseligen Drachen klarkommt, wenn immer irgendeiner da ist, der sie rettet?
Wenn du eigentlich das Beste im Sinn für deine Liebsten hast, ist das klügste, aufzuhören, ihre Arbeit für sie zu machen!
Denn so nachvollziehbar es ist, dass du dich immer wieder dabei erwischst, Probleme anderer zu lösen oder ihnen beizustehen, so dringend solltest du daran etwas ändern!
Wieso du unbedingt damit aufhören solltest, dich für das Wohlbefinden anderer verantwortlich zu fühlen
Die Gründe, die du gleich lesen wirst, sind nicht so gemeint wie das, was nach „wieso du endlich anfangen solltest Sport zu treiben“ kommt. Sie bilden die direkte Brücke zu konkreten Handlungsimpulsen.
1. Jeder Mensch hat sein eigenes Wahrnehmungssystem und seine eigene Wahrheit
Während ich den Artikel schreibe, muss ich schmunzelnd an ein Erlebnis aus einem unserer Urlaube denken. Vor ein paar Jahren schenkte mir mein Mann zu meinem Geburtstag unter anderem eine Eselwanderung. Das war großartig und verlief völlig reibungslos. Zumindest bis wir den Rückweg antreten wollten. Fritzi und Jupp allerdings – so hießen die beiden vierbeinigen Grautiere – hatten offenbar etwas anderes im Sinn. Sie hatten schlicht und einfach null Bock, wieder zurückzugehen.
Alles ziehen und zerren, gut zureden und locken brachte nichts. Interessierte die Esel nicht die Bohne. Denn sie hatten in dem Moment eine andere Wahrheit. Irgendwann haben wir es kapiert: Sie wollten nicht umdrehen, sondern den Weg weitergehen. Gesagt, getan und alles war schick.
Jetzt ist mir durchaus bewusst, dass wir Menschen und keine Esel sind.
Trotzdem besteht gar kein so großer Unterschied zwischen uns. Auch wir haben unseren eigenen Willen – und sind oft nur sehr schwer davon abzubringen.
Oft können wir nicht anders handeln, als wir es tun.
Wieso?
Weil wir die Dinge auf eine bestimmte Art und Weise wahrnehmen. Du nimmst die Realität nicht objektiv, sondern durch deine ganz persönliche Brille, deinen individuellen Filter war. Dieser Filter ist bei jedem Menschen anders.
Die „Inhalte“ deines Filters sind Überzeugungen, Glaubenssätze, typische Verhaltensmuster, Gedanken und Gefühlsstrukturen.
Genau deshalb greifen auch lapidare Aussagen oder Vorschläge im Sinne von: „mach es doch einfach so oder so“ überhaupt nicht. Denn selbst wenn der andere es in dem Moment anders sehen WILL, kann er es aufgrund seiner bisherigen Prägungen schlicht und ergreifend nicht.
Mit Gefühlen ist das genau das gleiche, denn auch die Auslöser von Gefühlen sind Gedanken und Überzeugungen – die größtenteils unbewusst sind.
Was heißt das also konkret für dich in Bezug auf andere?
💡 Erinnere dich immer dann, wenn du etwas an oder in anderen zu verändern versuchst, dass jeder sein eigenes Wahrnehmungsfiltersystem hat.
💡 Mache dir bewusst, dass es überhaupt nichts bringt, wenn du jemandem deine Sichtweise oder gut gemeinte Ratschläge überstülpst.
💡 Das betrifft sowohl „größere“ Überzeugungen als auch Alltäglichkeiten.
Als Beispiel:
nehmen wir an, du hast dich mit einer Freundin seit längerem mal wieder verabredet und ihr beschließt, essen zu gehen. Du weißt, dass ihr grundsätzlich unterschiedliche Geschmacksrichtungen habt. Du stehst eher auf exotischere Dinge und darauf, Neues ausprobieren, sie mehr auf Traditionelles und gut bürgerliche Küche. In eurer Stadt hat ein neues asiatisches Restaurant aufgemacht, wo du gerne hingehen würdest. Sie aber nicht. Sagt sie zumindest – aber du meinst sehr genau zu wissen, dass es dort auch schmecken würde! Und weil du findest, dass sie ohnehin etwas offener sein sollte und ihr das in ihrem Leben ganz grundsätzlich helfen würde, lieferst du ein gutes Argument nach dem anderen. Um am Ende enttäuscht festzustellen, dass sie einfach nicht mitzieht.
Du hast nun die Wahl, ob du ihr das übel nimmst und ihr vorhältst, dass sie so ja niemals große Dinge erreichen wird, wenn sie noch nicht mal offen ist, ein neues Restaurant zu besuchen. Denn ihren leidigen Job wird sie ja wohl erst wechseln, wenn sie etwas offener ist für Neues…
Wahrhaftiges Umdenken oder Veränderung geschieht aber leider nur, wenn der andere von SICH AUS auf die Idee kommt.
2. Du nimmst dem anderen die Chance auf Wachstum und Weiterentwicklung
Woran bist du selbst am stärksten gewachsen? Nach welchen Situationen oder Erlebnissen hast du am meisten gelernt?
Wenn du ehrlich bist, weißt du, dass es gerade herausfordernde und unangenehme Dinge waren, in denen du viel dazulernen konntest.
Jeder hat einen Horror davor, „Fehler“ zu machen. Doch in Wahrheit sind es genau diese und die damit verbundenen Gefühle von Scham, Schuld, Ängsten und Sorgen, die dich in eine neue Richtung lenken (können).
Durch Schwierigkeiten, Herausforderungen, Schmerz oder Verlust entdeckst du Seiten und Qualitäten in dir, von denen du vorher nie geahnt hast, dass sie in dir schlummern.
Wenn du jemand anderem zuvorkommst und versuchst, seine Päckchen zu tragen, nimmst du ihm die Chance zu erkennen, was er eigentlich kann und welche Größe und Potenzial in Wahrheit in ihm steckt.
3. Du bleibst in der Täter-Opfer-Retter Konstellationen gefangen
Wenn du versuchst, Probleme bzw. Gefühle für den anderen zu beseitigen, unterstellst du ihm genau genommen indirekt, dass er nicht in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen.
Dass er das ohne deine Hilfe nicht hinkriegt. Du machst dich also größer, erhabener und den anderen kleiner, schwächer.
Um solche Dynamiken abzubilden, gibt es im Psychodrama das sogenannte „Drama-Dreieck“. Es besteht im klassischen Sinn aus der Verfolger-, Opfer- und Retter-Position. Um in dieser Sprache zu bleiben: du machst den anderen zu einem Opfer, das sich nicht selbst helfen kann und spielst dich als Retter („Ich muss dich retten“) oder Verfolger („So kannst du das doch nicht länger laufen lassen.“) auf.
Die Rollen im Drama-Dreieck sind nicht fix, sondern wechseln. So kommt es oft vor, dass du selbst irgendwann zum Opfer wirst. Nämlich dann, wenn die Person, die du als Opfer behandelt hast, mit dem Finger auf dich zeigt und selbst zum Verfolger wird und dir Vorwürfe macht. Hallo Konflikt sage ich nur…
So steigst du aus dem Drama-Dreieck aus und unterstützt andere auf eine angemessene Weise
Wenn du bis hierher durchgehalten hast, weißt du nun, dass du das Wahrnehmungs- und Filtersystem eines anderen nicht oder nur mit seiner Kooperationsbereitschaft und Zustimmung verändern kannst. Du weißt auch, dass du durch „helfen“ verhinderst, dass die entsprechenden Personen an Herausforderungen wachsen und sich weiterentwickeln können. Und, dass du durch übermäßige Hilfestellungen dafür sorgst, dass ihr im Drama-Dreieck gefangen bleibt.
Wahrscheinlich stellst du dir die Frage, wie du endgültig aus der Verantwortungsnummer aussteigen kannst.
Neben einem tiefen Verständnis für den anderen, welches hoffentlich durch Punkt 1 und 2 in dir geweckt wurde, lohnt es sich, deine ganz persönlichen Drama-Situationen genauer unter die Lupe zu nehmen.
Frage dich dafür, wo, d.h. bei welchen Personen und Situationskonstellationen du Täter, Retter und Opferrollen erahnen bzw. wahrnehmen kannst.
Du musst dies nicht sofort und vollständig beantworten. Besser ist, dass du dich und deine Interaktionspartner über einen längeren Zeitraum beobachtest. Halte deine Erkenntnisse am besten in Stichpunkten schriftlich fest.
Als nächstes kannst du dir überlegen, wie du aus diesen festgefahrenen Rollen rauskommst.Jepp, es gibt einen „offiziellen“ Ausstieg aus dem Dramadreieck. Die konstruktive Wende nämlich.
Am besten verdeutliche ich dir das an ein, zwei Beispielen. Dann bist du gewappnet und kannst es gut auf deine individuellen Situationen übertragen.
Wenn jemand etwas macht, mit dem du nicht einverstanden bist oder das du problematisch findest, kannst du das natürlich adressieren. Aber eben nicht als Verfolger, sondern als Konfrontierer. Das bedeutet, dass du deinem Gegenüber in klaren Worten deinen Standpunkt mitteilst. Ohne jedoch in einen Befehls- oder besserwisserischen Ton zu verfallen. Das kann z.B. bedeuten, dass du zu deinem Freund sagst: „Hör mal, du siehst wirklich nicht gut aus. Wenn es dir so schlecht geht, würde ich an deiner Stelle Hilfe in Anspruch nehmen – und mal einen Arzt oder Therapeuten aufsuchen.“
Anstelle dich als Retter „aufzuspielen“, wirst du Helfer.
Ein Retter springt ungefragt auf jemandem zu. Das bedeutet, Verantwortung für den anderen zu übernehmen. Schluss damit! Anstelle dessen kannst du dem anderen helfen. Das machst du, in dem du den anderen fragst, was er oder sie von dir bräuchte. Was ihm oder ihr helfen würde.
👉🏻 Wenn deine Freundin zum Beispiel über einen viel zu vollen Terminkalender klagt, hast du zwei Möglichkeiten. Entweder du versuchst, bestimmte To Do’s für sie zu übernehmen oder machst Vorschläge, was sie tun kann (Retter). Oder aber du fragst, wie sie es in der Vergangenheit in solchen Situationen geschafft hat, mit dem vollen Terminkalender klar zu kommen oder auch, was sie braucht und ob es etwas gibt, das du für sie tun kannst (Helfer).
👉🏻 Damit machst du sie nicht länger zum Opfer. Sondern adressierst deine Unterstützungsbereitschaft an sie als Bedürftigen. Ein Bedürftiger unterscheidet sich von einem Opfer, weil er sagt, was er braucht -anstatt pausenlos zu fordern oder sich selbst als hilflos darzustellen. Beispielsweise könnte deine Freundin sagen, dass es ihr helfen würde, wieder einen Überblick zu bekommen und ob ihr gemeinsam den Kalender kritisch unter die Lupe nehmt und ein paar Prioritäten setzt.
👉🏻 Oder nimm deinen Partner, der sich immer wieder über seinen Chef und seine Arbeit beschwert. Er fühlt sich schikaniert, schlecht behandelt und könne nichts tun, dass sich daran etwas ändert (Opfer). Wäre er Bedürftiger, würde er vielleicht fragen, ob du ihm 10 Minuten Raum geben könntest, um über das zu sprechen, was ihn belastet. Er würde dir das gern erzählen und gemeinsam überlegen, wie er etwas an seiner Situation verändern kann. Oder aber er würde dir sagen, er braucht gar keine Tipps von dir, sondern will sich einfach nur mal auskotzen.
👉🏻 Dazu kannst du dann ja oder nein sagen, denn natürlich bedeutet es nicht, dass du jedem geäußerten Bedarf nachkommen musst…
Ich hoffe sehr, dass dir der Unterschied zwischen verantwortlich sein in einer unguten Weise und einem konstruktiven Unterstützen klarer wurde.
Um es zum Ende des Artikels nochmal auf den Punkt zu bringen:
- Du bist nicht für das Verhalten, die Gefühle oder die Probleme anderer verantwortlich. Und sie nicht für deine.
- Ja du kannst anderen in wohlwollender Weise zur Seite stehen. Aber hier gilt wie so häufig: weniger ist mehr.
- Nutze die dadurch freiwerdenden Energie- und Zeitressourcen, um die Verantwortung für DICH und DEINE Gefühle zu übernehmen. Bleib bei dir und spüre, was die Probleme anderer in dir auslösen und was du tun kannst, damit es DIR damit gut geht. Wenn du das getan hast, wird dein Hilfsangebot zur echten Unterstützung, die sowohl dir als auch der anderen Person etwas GIBT und nicht nimmt.
Schreib mir, wie du nun über die Verantwortungs-Nummer denkst. An welcher Stelle im Artikel hat es bei dir Klick gemacht? Welche konkreten Handlungsimpulse hast du für dich persönlich herausgefiltert?
Ich freu mich über deine Kommentare und natürlich auch über deine Fragen, die du zu diesem schwierigen Thema eventuell noch hast.
✨ Sharing is caring ✨
Ich freue mich, dass du diesen Artikel gelesen hast! Unterstütze meine Arbeit, indem du den Artikel jetzt mit deinen Liebsten und allen Menschen teilst, denen das Wissen auch weiterhelfen kann.
Tausend Dank!
Ulrike
Ein sehr aufschlussreicher Artikel, in dem ich vieles von mir wiederfinde. Ich habe oft vor allem emotional Hilfe geleistet, bin dabei aber oft an/über meine Grenzen gekommen. Ich möchte gar nicht in der Retter-Rolle sein, spüre aber, dass eine Freundin das regelrecht von mir fordert. Sie wirkt sehr bedürftig und spricht davon, dass ihre „Herzensmenschen“ sie retten. Als ich begann, meine eigenen Bedürfnisse zu äußern, meinte sie, deshalb müsse sie sich jetzt auf bestimmte Art schlecht fühlen. Ich will diese Verantwortung nicht übernehmen, will sie nicht retten. Wie mache ich ihr das klar, ohne sie zu verletzen? Ich weiß nicht, wie.
Danke!
Liebe Ute,
schön, dass du aus diesem Artikel etwas für dich herausgezogen hast! Das freut mich sehr. Die Dynamik, die du beschreibst, spielt sich ja total schnell ein. Und wird sie verändert, weil eine Person etwas anders macht, schreit das Gegenüber selten „hurra“. Schau doch mal, ob dir dieser Artikel hier helfen kann. Darin beschreibe ich, wie du deine Bedürfnisse wertschätzend und wohlwollend kommunizierst, indem du bei dir bleibst und dein Gefühl, dein Bedürfnis und deine Bitte äußerst. Diese 4 Schritte aus der Gewaltfreien Kommunikation finde ich sehr mächtig, wenn es darum geht, etwas zu adressieren ohne willentlich den anderen vor den Kopf zu stoßen. Hier ist der Artikel: https://soulsweet.de/beduerfnisse-erkennen-und-erfuellen/ Alles Liebe für dich!
Puh … der Artikel war gut. Aufschlussreich und lässt mich erkennen, dass ich bei mir bleiben muss. In meinem Leben leide ich unter einem generationskonflikt … mein Mann zukünftiger Hofübernehmer. Eltern sind liebe aber sehr festgefahrene Menschen. Ich und meine Kinder aus früherer Beziehung werden nicht akzeptiert. Obwohl ich extra in ein anderes Land gezogen bin, um meinem Mann seinen Job zu lassen und den Hof am leben zu erhalten. Ich wollte ihn dabei im vollen Umfang unterstützen. Als der Konflikt größer wurde zogen wir aus, um Raum zu schaffen. Mein Mann arbeitet aber weiter am Hof. Ich ziehe den Hut vor seinen Eltern, die sich so viel erarbeitet haben und natürlich dafür auch auf vieles verzichten mussten. Als Hofübernehmer ist mein Mann aber in einer tragischen verantwortungsrolle gefangen. Er wird nicht wertgeschätzt als Mensch nur seine Arbeitskraft. Die Geschwister von ihm haben ein ganz normales Leben und viele Erfahrungen sammeln können. Mein Mann hat das was für die Entwicklung jedes Menschen normal ist schlichtweg verpasst. Jugend pupertät abnabelung …
Entscheidungen treffen .. selbst die Auswahl einer Speisekarte war anfangs ein großes Problem. Es gibt gute und schlechte Momente von … ich will den Hof ich will ihn nicht. Ich bat ihn sich zu entscheiden … jetzt möchte er den hof. Zum einen da er sich verantwortlich fühlt und zum anderen da er die Arbeit auch gern mag, aber ja auch etwas Bequemlichkeit steckt auch dahinter, denn eine wirkliche Chance gab es für ihn nicht auch mal etwas Neues probieren zu können oder zu wollen. Aber mein Problem zu diesem Thema… er kann den Hof nicht allein übernehmen… und bräuchte später meine Hilfe… wie gehe ich damit um, wenn ich da arbeiten soll wo man nicht akzeptiert wird und auch niemand offen ist für eine halbwegs angehme Lösung für alle. Ich muss nicht geliebt werden aber ein normaler Umgang wäre mir ein Bedürfnis. Probleme anzusprechen wäre mein Weg und ich bitte um Lösungen, da es eben auch mein Leben betrifft. Doch niemand möchte sich mit sowas unbequemen beschäftigen. Und wenn mein Mann nach Hause kommt und wieder nichts geklärt hat … bin ich einfach traurig. Somit sehe ich dann nur das er den Hof ohne mich übernehmen kann und er dann doppelt so viel arbeiten muss … was auch bedeutet das ich dann so gut wie garnichts mehr von ihm haben werde. Denn auch jetzt sind 7 Tage die Woche arbeiten Standart mit viel Glück ein oder zwei Wochen Urlaub im Jahr. Was aber kaum zum genießen ist da er vor dem Urlaub so viel arbeitet das er dann eben einfach ko ist. Ich möchte weder retten noch verfolgen noch in die Opferrolle. Und dennoch werde ich ohne es zu wollen alle Rollen bedienen, da es nie zu einer Lösung kommt. Was kann ich tun ? Wie kann ich mit umgehen das mein Mann gefühlt in zwei Welten lebt und in meiner eigentlich nur Pausen von der Arbeit braucht? Immerhin betrifft es mein Leben ja auch … sonst würde ich ihn machen lassen und ihn wie gewohnt unterstützen.
Liebe Madleen, es freut mich, dass dieser Artikel dir einige Aha-Momente verschafft hat. Klarer sehen, was so läuft, ist ja sehr oft ein wichtiger erster Schritt. Ich kann hier auf die Schnelle natürlich keine wirklichen Antworten geben – das wäre aus der Ferne ohne deine Situation zu kennen, nicht wirklich professionell. Insofern wünsche ich dir vor allem, dass du – ob für dich allein, mit einem lieben Menschen oder einem Profi – für dich und euch klär(s)t, wie es weitergehen kann. Vielleicht liefert dir dieser Artikel hier noch weiteres Denkfutter für deine und eure Situation: https://soulsweet.de/schwierige-entscheidungen-treffen/?!
Chapeau!!!
Ich muss über den Artikel noch nachdenken…in einer Familie fühlt man sich doch automatisch irgendwie immer für einander verantwortlich. Als Eltern für seine Kinder, unter Geschwistern oder später für seine alten Eltern. Das ist normal und macht doch Familie aus. Was ist daran schlecht? (…solange sich alle wohl fühlen).
Ist es besser zu sagen „ich bleibe bei mir, dein Problem geht mich nichts an. Du musst es allein lösen“? Klar ist, dass man sich nicht ungefragt einmischen sollte, aber ohne sich verantwortlich zu fühlen, geht auch ein Stück Nähe verloren.
Liebe Mari, ich bin voll bei dir. Wenn alle sich wohl fühlen, ist es etwas tolles, sich Gedanken um das Wohlbefinden der anderen zu machen. Klar, das macht Familie aus und wir Menschen sind zutiefst soziale Wesen, brauchen die Verbundenheit und es ist wunderbar, einander im Blick zu haben. UND zugleich gilt: Ich kann nichts für die anderen tun – vor allem, wenn wir jetzt mal über Erwachsene sprechen (das ist ja mein Fokus). Ich kann mir Sorgen machen um ein depressives Familienmitglied – und doch müsste dieses Familienmitglied allein die notwendigen Schritte tun. Ich kann empathisch mitfühlen mit meiner Freundin, die unter ihrem Chef leidet – und doch ist es ihr Job, damit einen anderen Umgang zu finden oder etwas an der Situation zu verändern. Für mich ist das eben kein Widerspruch, kein entweder-oder. Und hinzu kommt ja noch: Wenn ich mich verantwortlich fühle, werde ich mich schlecht fühlen, wenn sich jemand anderes schlecht fühlt (was keine gute Position ist) und neige vermutlich auch viel leichter dazu, den anderen aus der Eigen-Ver-Antwort-ung zu entlassen…
Genau so einen Artikel habe ich gebraucht. Vor einem Monat habe ich gemerkt, dass die Art wie ich mit anderen Menschen umgehe nicht immer gesund für mich ist, jedoch war mir nicht klar was genau das Problem ist. Natürlich bin ich immer noch dabei zu entdecken, aber mir ist bewusst geworden, dass ich mich viel zu oft als Retter sehe, vielleicht auch weil ich seit klein auf in diese Rolle gedrückt wurde, weil ich oft weiter war als Gleichaltrigen und daher immer helfen sollte. Das mir dieses Verhalten zur Last wird, habe ich jetzt besonders an einer Beziehung gemerkt. Diese Person kenne ich schon mein ganzes Leben und sie war auch immer eine meiner engsten Vertrauten. Seit mehreren Jahren leidet sie jetzt schon an schweren Depressionen und da ich auch von ihr immer als Retterin in Anspruch genommen werde (was ich natürlich auch nicht ablehne, weil es mir ja an sich ein gutes Gefühl gibt) bin ich unter ihrer Last mit zusammengebrochen. Ich bin zurzeit noch dabei herauszufinden wie wir weitermachen sollen (zurzeit haben wir kein Kontakt), aber dieser Artikel hat mir auf jeden Fall ein tiefen Einblick gegeben, warum es wichtig ist, sich zurück zu halten mit dem Helfen und wie ich das auch angehen kann. Vielen Dank!
Liebe Jojo,
vielen Dank für dein Feedback und deine Offenheit. Es freut mich so sehr, dass du aus dem Artikel etwas für dich herausziehen konntest und dass du in Zukunft mehr für dich selbst einstehen möchtest. Denn natürlich fühlt es sich im ersten Moment immer schön an, anderen helfen und für sie da sein zu können. Aber wie du beschreibst, kannst du eben nicht dauerhaft das Gepäck von anderen mittragen. Dass du das erkannt hast, ist ein unheimlich wichtiger Schritt und ich wünsche dir von Herzen, dass du einen Weg für dich findest, auf dich und deine Energieressourcen acht zu geben und trotzdem positive und erfüllende Beziehungen zu führen.
Hallo, vielen Dank für den Artikel. Mein Gedanke passt sehr zu dem von Mari. Meine Geschwister und ich sind intensiv dabei unsere Vergangenheit/Kindheit aufzuarbeiten. Jeder macht dies auf seine Weise und in seinem Tempo. Ein großes Thema spielt dabei das Thema Verantwortlichkeit. Als Kind fühlte man sich verantwortlich für das Problem der Eltern und jetzt vielleicht noch als falscher Glaubenssatz für die Geschwister. Es ist so ambivalent: auf der einen Seite möchte ich meine Geschwister unterstützen, indem wir über die Vergangenheit sprechen und diese neu bewerten, auf der anderen Seite wirft es mich immer wieder zurück in meinen Gedanken, Bewertungen und Lösungen. Macht es Sinn mit seinen Geschwistern die Vergangenheit aufzuarbeiten? Ich merke, dass mich das persönlich ausbremst und mir negative Emotionen bereitet. Wahrscheinlich mit dem Hintergrund, dass ich mich zum Teil verantwortlich fühle. Wie geht man damit um, wenn man an dieser Stelle mit sich im Konflikt stehen sieht? Ich habe die Einsicht, dass ich die Schwäche habe mich nicht gut abgrenzen zu können und ich mich schnell verantwortlich fühle. Der nächste Step ist dann zu sagen, lass dir von jemanden anderen helfen? Oder ich muss an meiner Schwäche arbeiten und mich mich verantwortlich fühlen? Liebe Grüße
Liebe Anni,
danke für deinen Kommentar und deine Offenheit. Erst einmal finde ich es großartig, dass deine Geschwister und du euch mit eurer Vergangenheit auseinandersetzt und diese aufarbeitet. Das ist ein wichtiger Schritt, um alte Glaubensmuster zu durchbrechen, die (fast) immer aus Kindheitstagen herrühren. Ich verstehe aber auch dein Dilemma zwischen Abgrenzung und Verantwortungsgefühl. Gerade in der eigenen Familie ist es eine echte Herausforderung, zwischen Selbstfürsorge und gegenseitiger Unterstützung zu navigieren. Denn natürlich möchte ich mit dem Artikel nicht ausdrücken, dass du deine Liebsten nicht mehr unterstützen sollst. Aber wenn du genau hinschaust, beantwortest du deine Frage in deinen Worten schon selbst: Wenn dich der Austausch mit deinen Geschwistern in diesen Themen ausbremst, runterzieht und dir negative Gefühle bereitet, bedeutet das, dass er dir offensichtlich nicht gut tut. Insofern scheinst du aktuell nicht bereit zu sein, dahingehend mit ihnen ins Gespräch zu gehen. Das ist okay und dein gutes Recht! Denn du bist an erster Stelle für dich und dein Wohlbefinden verantwortlich, genauso wie deine Geschwister es für ihres sind. Ihr könnt euch gegenseitig unterstützen und euch auf empathische und konstruktive Weise zur Seite stehen, aber das sollte niemals dazu führen, dass sich eine:r von euch schlecht fühlt und die Päckchen der anderen auf die eigenen Schultern nimmt. Da du davon sprichst, dass es dir schwerfällt, dich abzugrenzen, könnte dieser Artikel vielleicht auch etwas für dich sein. Vielleicht magst du ja mal reinschauen: https://soulsweet.de/es-allen-recht-machen/
Ich wünsche dir von Herzen, dass du einen guten Weg für dich findest, mit deiner Situation umzugehen.
Viele liebe Grüße,
Ulrike
Sehr geehrte Frau Bossmann,
ich bin so froh, diesen Artikel zu lesens.
Hier mein Problem,
ich habe eine Tante, die ist sehr nett usw., besuche ich sie oder rufe ich sie an können wir uns gut unterhalten. Sie würde aber niemals von sich aus mich anrufen oder besuchen. Das ärgert mich sehr. Will sie ihre Bedürftigkeit mir gegenüber nicht äußern, oh rufe mich doch mal an oder so… Sie ist inzwischen 70 Jahre alt und hat es nie gemacht. Ist es die Kriegsgeneration, die nicht über ihre Gefühle spricht. Sie sagt, es geht niemanden etwas an wie ich mich fühle und es ist zu privat.
Ich denke, daß es diese Kriegsgeneration ist, trotzdem hätte ich gerne, wenn sie mich mal anrufen würde.
Auf Ihre Antwort freut sich,
Katrin
Liebe Katrin,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ich verstehe, dass es frustrierend ist, wenn deine Tante sich nicht bei dir meldet und ihre Bedürfnisse nicht klar kommuniziert. Da ich sie nicht kenne, kann ich dir aber leider keine Antwort auf die Frage nach dem Warum geben. Das kann die unterschiedlichsten Gründe haben.
Deshalb würde ich dir raten, sie einfach mal freundlich zu fragen. Dabei ist es ganz wichtig, dass du nicht gleich in eine Vorwurfshaltung gehst, sondern ruhig bleibst und ihr das Gefühl gibst, dass sie bei dir offen über ihre Gefühle und Themen sprechen kann. In diesem Artikel beschreibe ich genauer, wie du dein Problem behutsam ansprechen kannst, ohne deiner Tante damit auf die Füße zu treten. Schau da gerne mal rein.
Ich hoffe, dass du einen Weg findest, zu deiner Tante durchzudringen und eure Beziehung positiver zu gestalten.
Liebe Grüße
Ulrike
Liebe Ulrike,
das sind doch mal klare Worte :-). Ja, ich bin ehrlich – zum wiederholten Male fühle ich mich (wie immer) für meine jüngere Schwester (22) verantwortlich. Es ist merkwürdig – heute konnte ich erstmals eine an mich selbst gerichtete Affirmation („Mein Leben darf leicht gehen und sich so richtig gut anfühlen.“) ganz tief in mir spüren und mir WIRKLICH erlauben. Was passiert kurz darauf? Meine Schwester schreibt, es geht ihr im Moment nicht gut und sie zieht sich etwas zurück. Prompt wird die Beschützerin in mir wach (ich kümmerte mich tatsächlich einige Jahre um sie) und irgendwas wackelt in mir. Ich hab große Fortschritte dabei gemacht, mein Helfersyndrom abzulegen, aber bei ihr falle ich ständig in alte Muster. Worauf ich achten werde, ist der dritte Punkt in deinem ersten Artikelteil. Will ich mir selbst gute Gefühle verschaffen? Das ist für mich neu und ich beobachte das mal.
Herzliche Grüße, Kirsten
Liebe Kirsten,
vielen Dank für deinen schönen Kommentar. Es freut mich sehr zu hören, dass der Artikel dir neue Denkanstöße gegeben hat und auch, dass du mit deiner Affirmation Erfolg hattest. Es ist total nachvollziehbar, dass du als ältere Schwester dazu neigst, dich schützend vor deine kleine Schwester zu stellen und für sie da sein zu wollen. Gerade, wenn das sogar einige Jahre deine Aufgabe war, ist es logisch, dass du das nicht so leicht ablegst wie bei anderen Menschen in deinem Leben. Ich wünsche mir für dich, dass du eine gute Balance zwischen gegenseitiger Unterstützung und Selbstfürsorge findest und hoffe, dass die Punkte aus dem Artikel dir dabei helfen 💛.
Liebe Grüße,
Ulrike
Wow – sehr gute und umfassende Betrachtung zu dem Thema, welches ich aus eigener Erfahrung (sowohl selbst „aktiv“ als auch „passiv“) gut kenne und auch meiner Lebenserfahrung entspricht – Hut ab !
Ein paar gedankliche Ergänzungen aus meiner Sicht und Erfahrung:
Wer sich für Andere (und deren Glück) verantwortlich fühlt, erwartet das auch von den Anderen für sich selbst – es ist ja eine grundsätzliche Lebenseinstellung, dass das so „sein soll“. Das heisst im Klartext, dass dann Andere für mich und mein Glück verantwortlich sind. Und genau dort kommt dann das Drama-Dreieck (gefällt mir gut das Bild…) in volle Rotation und der Kampf um Macht wird zum subtilen Krieg mit allen Mitteln.
Die „Waffen“ in diesem Krieg sind dann sehr oft Gefühle, mit denen schlicht und ergreifend erpresst wird:
„Du bist verantwortlich für mich und mein Glück/ich bin verantwortlich für Dich und dein Glück – daher, mach mich glücklich indem Du nach meiner Pfeife tanztst…. und wenn Du das nicht tust, bist DU verantwortlich dafür, dass ich unglücklich bin….. und weil ich ja für Dich verantwortlich bin, mache ich bis zur Selbstaufgabe ALLES, damit Du glücklich wirst“
Man wird mit dieser Haltung schlicht vollkommen erpressbar und erpresst auch selbst. Wer nun in dem wechselnden Drama Dreieck der/die „Erpresser/in“ ist, wird niemals zufrieden sein (können), weil eben das Glück und die Zufriedenheit immer ABHÄNGIG ist von Anderen (und der „Erfüllung DURCH Jene)und da kann es niemals genug sein. Und – somit kann man ganz unverantwortlich IMMER auch Opfer bleiben, dass für seine Existenzberechtigung Täter BRAUCHT (und somit oftmals auch ganz aktiv erschaffen muss…). Ein unseliger Kreislauf…….
Im Grunde geht es aus meiner Sicht nur um Eines: Eigenverantwortung – für sich selbst und sein Handeln. Und weil das eben so „unbeliebt“ und schwierig ist, die Verantwortung für sich und sein Tun zu (er)tragen, erschafft man die Illusion der achs so edlen und „liebenden““Verantwortung für Andere“ (eben – die sind ja dann auch verantwortlich für mich).
Und es ist offenbar einfacher, in der Rolle des „Retters“ zu verbleiben (bis zur vollkommenen Selbstaufgabe und -zerstörung) und sich hinter dem „edlen“ Deckmäntelchen desselben zu verbergen, als selbst für sich Verantwortung zu übernehmen. DAS ist für mich der Grund, warum da Viele gar nicht raus wollen… wie so schön im Beitrag erwähnt „die eigenen Baustellen anzusehen“….
Nochmals – Hut ab zu der umfassenden Betrachtung dieses Themas
Alles Gute
Hemuth
Hallo Helmuth,
ich danke dir für deine Gedanken zu dem Thema und freue mich, dass dich der Artikel zu einer genaueres Auseinandersetzung zu Eigenverantwortung und Opferrollen gebracht hat. Deine Gedanken dazu klingen wirklich interessant.
Lieben Gruß,
Ulrike
Hallöle, ich habe meinen Rucksack den ich schon über Jahrzehnte mit mir rumschleppte verarbeitet.Es war ein langer und anstrengender Weg,aber es hat sich gelohnt.
Sich bewusst machen, warum man so gehandelt hat,liegt oftmals in der Kindheit verborgen.
Oft werden Leid und Schmerz von Generationen zu Generationen unbewusst weiter gegeben.
Diese Erkenntnis hat mir sehr weiter geholfen.
Ich hatte auch so ein starkes „gerne Andere helfen müssen“,immer für alles und jeden verantwortlich sein „müssen“,Warum?
Ich habe es so von meiner Familie gelernt und ich war für alles verantwortlich und es ging auch viel um“du bist schuld“,so lebte es sich doch angenehmer und sehr bequem. Dies Muster nahm ich mit in mein Erwachenalter, und eckte überall an.
Dann kam noch dazu,daß ich in der Pflege tätig war.
Aufopferungsvoll,rettend,aufdringlich übte ich mein Beruf aus,und es gab mir gute Gefühle.
Zufriedenheit erlangte ich aber nie in diesem Zustand.Das „ich“ war schon lange verloren gegangen.Auch meine Familie bis hin zu meinen Söhnen zerbrach.
Fazit:1.achtet auf euch
2.lebt im hier und jetzt
3.ihr könnt die Welt nicht retten
4.lasst Anderen ihre eigenen Erfahrungen sammeln, nur so ist Wachstum möglich
In dem Sinne,alles Gute
Hallo liebe Verona,
mich freut es unheimlich zu lesen, dass du deinen Rucksack erleichtern konntest und es dir jetzt viel leichter fällt, achtsam durch das Leben zu gehen und vor allem auf dich und deine Bedürfnisse gut zu achten 🙌🏻
Viele Grüße 🌻,
Ulrike
Guten Tag, ich habe ein Problem mit dem m. E. patzigen Verhalten einer neuen Kollegin, die nur vorübergehend bei uns Teamleiterin ist. Es ist eine Zwischenstation für sie, die sie nicht wollte. Sie wird aber im Herbst wohl auf ihre Wunschposition kommen. Sie wurde uns allen vorgestellt und auch ich habe sie freundlich begrüßt und ihr viel Erfolg und Spaß bei uns gewünscht. Das ist 2 Wochen her, wir haben uns seit dem nicht wieder gesehen.
Nun helfe ich deren Zimmer aus und besorge mir die Arbeit, hole Akten gehe aber wieder in mein Zimmer um das zu bearbeiten. Als ich also in ihr Zimmer kam und mich nochmal vorstellte und sagen wollte, ich hole mir Arbeit, verdrehte sie die Augen und schnitt mir das Wort ab. Ob ich meine Arbeit im PC auch als meine kennzeichne. Ich antwortete: selbstverständlich aber erst wenn ich sie auch wirklich nehme. Es kann sein, das manches jmd anderes unterschreiben muss. Also möchte ich erstmal sehen, was ich überhaupt mitnehme. Das war ihr schon zuviel . Sie verdrehte wieder die Augen und blähte die Nüstern. Dann fand ich eine Akte nicht und sagte dies einfach so. “ 1Akte ist nicht da.“ In genervtem Ton meinte sie , das kann wohl vorkommen. ( das weiss ich auch! Ich bin dort 30 Jahre!!! Es war lediglich eine Feststellung. Die man ja wohl mal äußern darf. ) jedenfalls holte ich das andere und ging. Ich dachte einfach sie ist nur genervt wegen ihrer stelle wo sie nicht sein will . Kann ja nach dem WE anders sein…Am 2. Tag Montag wieder sowas. Am 3. Tag ebenso…jeden Tag schneidet sie mit das Wort ab, ich warte höflich aber setzte meinen Satz dann fort und beende den auch ..ich reagiere aber auch bestimmter wenn ich antworte, dass es kein Vorwurf sondern eine Feststellung sei. Ich werde das ja wohl mal sagen dürfen. Dann gehe ich.
So. Und nun bin ich getriggert aus meiner Kindheit weil wohl meine Mutter ähnlich war…und sehr aufgeregt, habe schweissausbrüche , wenn ich nur daran denke wieder in das Zimmer zu müssen.
Ich habe allen Mut zusammen genommen, eine Akte weggeräumt und freundlich gesagt: “ und für die Zukunft würde ich uns einen freundlicheren Umgangston wünschen, wenn ich hier schon mitarbeite!
Da hob sie die Hände, verzog die Hände so gekrallt als ob sie gleich was packen wollte ( mich?) und sagte eigentlich nur das gleiche wie bisher und genervt: ja wenn ich sage hier muss ein Name stehen….da sie mir aggressiv vorkam, bin ich wortlos gegangen und schloss normal die Tür. Ich hab sie so stehen lassen…da ja dasselbe Verhalten kam wie bisher 3mal schon.
??? Sie ist 30, ich 49. Ich gabe eben 30 Jahre Berufserfahrung. Sie muss mir nicht erklären meine Arbeit mit meinem Namen zu kennzeichnen. Und nur weil die Akte fehlte und ich wissen wollte ob sie sie vllt hat? So auszuflippen???? Sie sei neu und wüsste nunmal nicht wo die ist…das hab ich dich gar nicht verlangt. Es konnte doch sein in den 14 Tagen hat sie zufällig diese auch gehabt. Ist doch nur eine von „x“ Möglichkeiten. Wie der Zufall manchmal will. Aber wie gesagt eigentlich war sie schon genervt als ich nur zum Zimmer rein kam….es geht nicht um die Akte.. offenbar ist sie überfordert mit ihrer “ nicht gewollten Stelle“ ? Wie reagiert man denn nun wirklich richtig auf so ein aggressives Verhalten?
Ich kann dann jedes mal nicht schlafen. Habe wie gesagt von kindheit an sowas erlebt, auch schon an mir gearbeitet. Meine Mutter gab nur mit psyxhotricks in der Erziehung gearbeitet, mit Selbstmord gedroht und lauter solche Sachen…mit 35 ist mir das mal aufgefallen , habe auch mit Psychologen was erarbeitet. Mich macht das fertig so ein herablassender Ton. Oder auch Wortabschneiden. Nicht aussprechen lassen.für dumm erklären…aber im Job ist sowas noch gemeiner. Ich mache meine Arbeit gern. Ich würde zu gern weggehen weiss nur nicht wohin. Hab das schon in 2 Abteilungen so erlebt. 2 mal selbst aufgelöst. Aber Mobbing gibt’s ja ich…man muss an sich selbst arbeiten, heisst es da vom Chef. Das habe ich, aber es ändert sich ja an den Leuten nichts.
Liebe K,
es tut mir leid, dass du mit deiner Kollegin auf der Arbeit gerade eine so unangenehme Interaktion erlebst und ich kann gut verstehen, dass dich der Umgang mit ihr belastet. Aus der Ferne und ohne sie selbst erlebt zu haben, kann ich dir leider nicht mit Sicherheit sagen, warum sie sich so verhält. Ich lese aus deinen Schilderungen aber heraus, dass ihr Problem, wie du es ja schon selbst angedeutet hast, vermutlich gar nichts mit dir zu tun hat. Dass du trotzdem darunter leidest, ist natürlich doof, aber vielleicht fällt es dir mit diesem Gedanken im Hinterkopf leichter, ihr Verhalten nicht persönlich zu nehmen und selbst ruhig zu bleiben. Denn auch, wenn es manchmal schwerfallen mag, die beste Strategie ist es, freundlich und gelassen zu bleiben. Wenn du die Zeit, bis sie im Herbst die neue Position annimmt, nicht einfach „aushalten“, sondern einen angenehmeren Umgang mit deiner Kollegin finden willst, lege ich dir ans Herz, diesen Artikel zu lesen. Darin geht es genau darum, wie du besser mit schwierigen Menschen in deinem Leben umgehst und dich selbst und dein Wohlbefinden dabei schützt.
Ich hoffe, die Anregungen aus dem Artikel helfen dir weiter und wünsche dir ganz viel Kraft und Gelassenheit bei der Umsetzung.
Viele Grüße
Ulrike
Liebe Ulrike,
zunächst einmal danke für deinen wertvollen Beitrag, den ich absolut nachvollziehen kann und im Normalfall auch 1 zu 1 umsetzen würde/oder versuchen es zu machen! Ich stoße jedoch tatsächlich bei meiner jetzigen Situation an meine Grenze, da es sich derzeit bei mir um meinen Exmann (Vater unseres erwachsenen Sohnes) handelt, der vor 4 Monaten einen Schlaganfall erlitten hat und nun seit heute in einem Pflegeheim untergebracht ist. Er selbst war bis zum Schlaganfall selbst praktizierender psychologischer Psychotherapeut und kann nun nicht mehr sprechen oder überhaupt sich klar verständlich machen. Ebenso ist er halbseitig gelähmt. Sein Gehirn funktioniert meist gut, er bekommt also das Meiste wohl mit, was es manchmal leichter, manchmal schwerer macht. Manchmal ist er aber auch sehr verwirrt. Da komme ich tatsächlich an meine Grenze, tappe sehr schnell in die Retterrolle, (empfinde, als ob niemand anderes sich verantwortlich fühlt – was so bestimmt nicht stimmt!) und habe daher Rat gesucht, da es mittlerweile über meine Kräfte geht.
Nichstdestotrotz hat mir von dir geholfen, dass – auch wenn er in einer scheinbar durchaus hilflosen, sich selbst nicht ausdrückenden Situation ist – ich ihm durch mein „Retten“ ja auch die Chance des Wachstums nehme. Da hat es „klick“ gemacht, auch wenn es nicht so klar ist, als wenn ich gegenüber einem gesunden Menschen agieren würde.
Ich finde es schwierig, hier die Grenze zwischen „Hilfe ist unbedingt nötig, da er sich selbst nicht ausreichend helfen kann“ und „achte auf dich und deinen Körper zuerst selbst und überlasse anderen auch, mehr einzuspringen“ oder so in der Art.
Verstehst du, was ich meine ?
Danke für deine Antwort schon mal im voraus. Die allerherzlichsten Grüße. Barbara
Liebe Barbara,
herzlichen Dank für dein Feedback und das Teilen deiner Geschichte. Die Situation, die du beschreibst, klingt unheimlich herausfordernd und ich kann deine Ambivalenz hinsichtlich deines Verantwortungsgefühls und des „Rettens“ gut nachvollziehen. Wenn sich die Lebensumstände durch einen unvorhergesehenen Schicksalsschlag so stark verändern, ist es oft schwierig, sich in eine neue Rolle einzufinden und den nötigen Abstand zu gewinnen, um das richtige Maß zwischen Abgrenzung und Verantwortungsübernahme (bis hin zur Selbstaufopferung) zu finden. Dennoch freut es mich, dass dir der Beitrag bereits einen AHA-Moment verschafft hat und ich wünsche dir, dass du es in Zukunft noch besser schaffst, eine gute Balance für dich herzustellen, bei der du deinem Ex-Mann (so weit du das möchtest) eine Stütze sein kannst, ohne in die Retterrolle hineinzurutschen und deine eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen.
Ich sende Dir ganz viel Kraft und liebe Grüße 💛
Ulrike