Ich: „Du bist gerade echt mein Fels in der Brandung.“
Er: „Ich fühl mich gar nicht so.“
Ich: „Wieso nicht?“
Er: „Ich fühle mich im Moment eher wie fluffiger Badeschaum“.
Dieses „Gespräch“ hat so vor einigen Wochen zwischen meinem Mann und mir stattgefunden…
Warum erzähle ich dir das als Einstieg in diesen Artikel mit dem Thema Stärken? Weil die Aussage meines Mannes ein Paradebeispiel dafür ist, wie oft wir unsere eigenen Stärken nicht auf dem Schirm haben. Während er das Bild von sich selbst als Badeschaum hatte (der immer wieder in sich zusammenfällt) habe ich ihn völlig gegenteilig, nämlich als stark, belastbar und als regelrechten Kraftspender erlebt.
Wie siehst es mit dir aus: Erkennst du den Wert vieler deiner Eigenschaften und Verhaltensweisen oder eher nicht?
Würde ich auf die Frage: „Was sind deine Stärken?“ ein Schulterzucken ernten oder klare, selbstbewusste Antworten?
Wenn ich dann fragen würde, was die Stärken deiner Freundin oder deines Partners sind, könntest du im Handumdrehen und problemlos 15 Dinge aufzählen, oder?
Ich möchte dir gleich kurz erklären, wieso es dir so schwer fällt, zu erkennen, was du wirklich gut kannst. Insbesondere aber möchte ich dir ohne große Umschweife 5 Wege und Methoden präsentieren, mit denen du deine Stärken erkennen und (wieder) entdecken kannst. Denn sie sind – wie die Positive Psychologie mehrfach wissenschaftlich bewiesen hat – ein ganz wesentlicher Bestandteil deines erfüllten Lebens. Um deine Stärken einzusetzen und so dein Lebensglück und deine Zufriedenheit mehren zu können, musst du sie aber erst einmal erkennen!
Lass uns deinen inneren Kritiker im Kopf darin erinnern, mit welchen Fähigkeiten und Talenten dein Stärken-Rucksack gefüllt ist. Jepp, den trägst du die ganze Zeit auf deinem Rücken – nur leider vergisst du ihn und all die Schätze, die darin verborgen sind, in deinem Alltag nur allzu leicht.
Achtung Gewohnheits-Falle: wie schnell deine Stärken zur Routine werden
Du weißt, dass ich Routinen und Rituale grundsätzlich als etwas unglaublich sinnvolles und hilfreiches erachte. In dem Fall deiner Stärken können solche Automatismen aber auch ungünstig sein – insbesondere wenn es darum geht, sie ausfindig zu machen. Der ansonsten überaus praktische Energiesparmodus sorgt in diesem Fall dafür, dass deine Talente und Fähigkeiten, von denen du Tag für Tag für die Bewältigung deines alltäglichen „Wahnsinns“ Gebrauch machst, nicht in dein Bewusstsein sickern.
Da es für dich mit gefühlt wenig Aufwand verbunden ist, erachtest du deine Stärken als etwas so normales und selbstverständliches, dass sie für dich überhaupt nicht BEDENKENswert, geschweige denn erwähnenswert sind.
Wenn dich niemand anderes darauf aufmerksam macht, wie wertvoll viele deiner Verhaltens- und Herangehensweisen sind (siehe das Beispiel von mir und meinem Mann), kann es schnell passieren, dass du sie abtust. Entweder mit einem gedanklichen „naja, das ist doch normal, kann und tut jeder“ oder aber du lässt deine Stärke gedanklich völlig unkommentiert, da du sie bereits völlig routiniert ohne sonderliche Achtsamkeit und Aufmerksamkeit an den Tag legst.
Ein häufiger Grund, warum Menschen ihre Stärken also nicht finden ist, weil sie sich nicht tief genug mit sich auseinandersetzen, eher schauen, was nicht gut läuft und sie ihre Stärken einfach nicht als Stärken anerkennen.
Was kannst du tun, um deinen Stärken auf die Schliche zu kommen?
Du findest gleich 5 Ansatzpunkte bzw. Methoden, mit denen du deine Stärken findest. Am besten zückst du Papier und Stift, denn an manchen Stellen ist es sinnvoll, dir direkt Notizen zu machen. Da dieser Artikel als ein weiteres Minitraining gedacht ist, mach dich auf Arbeitsaufträge gefasst. Lohnt sich für dich – versprochen!
5 Strategien/Methoden, mit denen du deinen Stärken auf die Schliche kommst
1. Werde zum rasenden Reporter
Genau so leicht wie es dir fällt, die Stärken deiner Freunde und Familie zu identifizieren, geht es ihnen mit dir.
Deshalb macht es Sinn, dich mit Menschen in deinem persönlichen Umfeld darüber auszutauschen, wie sie dich wahrnehmen.
Ja ich weiß, das sind höchstwahrscheinlich nicht eure geläufigen Gesprächsthemen und vielleicht fühlt sich der Gedanke daran auch komisch an. Aber glaub mir: du wirst es sicherlich nicht bereuen. Also trau dich!
Als Hilfestellung möchte ich dir eine empirisch, das heißt wissenschaftlich nachgewiesene, wirksame Vorgehensweise vorstellen, das sogenannte „Reflected Best Self“. Es ist eine Übung, die von Robert Quinn und Kollegen im Center for Positive Organizational Scholarship entwickelt wurde (Quinn et al., 2003).
Was du konkret tun sollst:
- Suche dir 5 Menschen aus deinem Freundes -, Bekannten- oder Familienkreis, die dich gut kennen. Wenn Jemand dabei ist, der mit dir zusammenarbeitet umso besser, dann ist nicht nur das private, sondern auch das berufliche Umfeld mit einbezogen (denn in verschiedenen Kontexten nehmen wir automatisch unterschiedliche Rollen ein und machen verstärkt von bestimmten unserer Eigenschaften und Stärken Gebrauch).
- Frag diese Menschen, was deine Stärken sind und bitte sie, diese auch immer mit konkreten Beispielen und Situationen zu belegen. Was sind Momente, Aufgaben, Situationen, in denen du aus der Sicht deines Umfeldes dein „bestes Selbst“ zeigst, zur Höchstform aufläufst?
- Versuche, die Antworten beim Lesen (Ja, Freude, Rührung, Liebe und Stolz durchaus erlaubt!) hinsichtlich Gemeinsamkeiten zu gruppieren. Gibt es irgendwelche Muster, wiederkehrende Antworten, Auffälligkeiten?
- Wenn du alles stimmig sortiert hast, kannst du dein „Stärken-Profil“ erstellen. Schreibe also entweder in kurzen Abschnitten oder mithilfe einer Excel Tabelle zusammen, was deine Stärken sind. Identifiziere bestimmte Bereiche und versuche sie so zu benennen, dass es sich für dich stimmig anfühlt.
Denk dran: du kannst nur gewinnen. Und du bekommst das zurückgemeldet, was sowieso schon in dir ist. Wenn du mehr als 5 Menschen befragst, wird dein Bild umso ganzheitlicher. Also sei mutig und frage ruhig auf mehr Personen und lass dich nicht davon abhalten, wenn ihr euch noch nicht so lange kennt.
2. Identifiziere Momente, in denen du dich gut fühlst
Gefühle sind grundsätzlich sehr gute Wegweiser! Das gilt auch beim Herausfinden deiner Stärken. Du kennst sicherlich die innere Erfüllung, die Befriedigung, die sich einstellt, wenn du irgendeine Art von Herausforderung erfolgreich gemeistert hast.
Wenn du beispielsweise einen Konflikt, einen drohenden Streit zwischen zwei deiner Freunde erfolgreich schlichten konntest, bevor das Ganze eskaliert. Was auf den ersten Blick komisch scheint: es hat dich überhaupt keine Kraft und Energie gekostet. Im Gegenteil: es hat dir vielmehr regelrecht einen Energieschub verpasst und du fühlst dich nach dem Gespräch positiv aufgeladen, kraftvoll und zugleich harmonisch und in deiner inneren Mitte.
Ich kann dir sagen wieso: weil du das Gefühl hattest, ganz du selbst zu sein. Im Einklang mit deinem „wahren Ich“, mit dem, was dir wichtig ist, mit deinen Werten zu handeln. Und da bist du bereits mittendrin in dem, was dich auszeichnet und was du besonders gut kannst: deinen Stärken. Im Beispiel wären vielleicht sowas wie Diplomatie, soziale Intelligenz, Empathie, Urteils- und Ausdrucksvermögen, Teamfähigkeit… Und ich könnte mit dieser Aufzählung noch weitermachen…
Deine Aufgabe zu dieser Strategie:
Finde Situationen (aus der Vergangenheit, der Gegenwart bzw. achte darauf in der Zukunft), in denen du dich rundum gut fühlst, weil du das Gefühl hast, authentisch, d.h. ganz du selbst zu sein.
Fange solche Momente ein und beschreibe sie so gut es geht auf einem Blatt Papier.
Versuche, die dahinter steckenden Stärken zu identifizieren. Denn ein wesentlicher Grund für diese innere Erfüllung ist, dass du deine Stärken und dein Potenzial in solchen Moment voll und ganz zum Ausdruck bringen kannst.
3. Frag dich, was dir leicht von der Hand geht und wo du erfolgreich bist
Das ist der Klassiker, den du wahrscheinlich am ehesten mit Stärken verbindest.
Natürlich sind Erfolge, gute Leistungen und top Ergebnisse definitiv ein Indiz dafür, dass du etwas besonders gut kannst. Insbesondere wenn du beim Erledigen von Aufgaben auch noch spielerisch, das heißt ohne groß darüber nachzudenken zu einem zufriedenstellenden Ziel gelangst, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass deine Stärke(n) mitgemischt haben.
Nehmen wir zum Beispiel an, du bist derjenige, der sowohl bei beruflichen als auch privaten Veranstaltungen „den Durchblick und Plan hat“. Der die Vorbereitungen total im Griff hat und mit seinem Organisationstalent und der Begeisterungsfähigkeit alle anderen motivieren und mitziehen kann. Sie begeistert und ihnen gleichzeitig sagt, wo es lang geht und was zu tun ist. Nicht erst einmal habt ihr dadurch schon das eine oder andere Event reibungslos und perfekt über die Bühne bringen können. Daaaaaann… liegt eine deiner Stärken höchstwahrscheinlich in einem ausgeprägten und erfolgreichen Führungsvermögen.
Ein weiterer Hinweis auf eine potenzielle Stärke ist schnelles Lernen. Wenn du beispielsweise bestimmte Inhalte wie ein Schwamm aufsaugst, sie total schnell kapierst und ohne große Anstrengung anwenden kannst, bist du vermutlich auf eine deiner Fähigkeiten oder Stärken gestoßen.
Ergänze deinen Stärkenerkundungs-Zettel mit den Antworten auf die folgenden Fragen:
- Bei welchen Aufgaben/Aktivitäten erzielst du überraschend gute Ergebnisse – häufig sogar ohne große Anstrengung?
- Was lernst du schnell, in welchem Bereich erweiterst du dein Wissen mühelos und gerne?
4. Prüfe, was dich interessiert, begeistert und was du besonders gerne tust
Auch Dinge, die du gerne tust, für die du dich interessierst und begeisterst, sind aufschlussreiche Ansatzpunkte, um deinen Stärken auf die Schliche zu kommen. Denn dabei bist du intrinsisch motiviert.
Das heißt, du führst bestimmte Aktivitäten nicht aus, um bestimmte Ergebnisse zu erzielen, sondern schlicht und einfach, weil du Freude und Spaß beim Ausführen und Tun hast.
Dabei kann es sich um alles Mögliche handeln. Vielleicht bist du leidenschaftliche Klavierspielerin. Oder aber du liebst es, deine Wohnung einzurichten, neu zu dekorieren. Oder könntest Stunden im Garten verbringen, ihn zu deiner Wohlfühloase machen, Blumen einpflanzen, Beete anlegen usw. Dann bist du beispielsweise wahrscheinlich besonders musikalisch, kreativ, naturverbunden, handwerklich begabt und so weiter.
Wenn es dir schwer fällt, konkrete Hobbies und Interessen zu benennen, achte einfach mal darauf, welchen Dingen du besonders viel und gerne Aufmerksamkeit und Zeit widmest. Oder welche Aufgaben du in deinem Terminkalender immer als erstes und voller Energie und Engagement erledigst.
Auch deine Sprache, d.h. die Worte, Sätze und Stimmlage, die du im Zusammenhang mit bestimmten Themen benutzt, können dir wertvolle Hinweise geben. Immer dann, wenn du beispielsweise euphorisch von etwas erzählst, wenn deine Augen dabei funkeln und leuchten und wenn du bei irgendetwas häufig Satzanfänge wie: „ich liebe es, wenn…“ oder „es macht mir total viel Spaß, wenn…“ nutzt, bist du definitiv auf der richtigen Spur zu einer deiner Stärken.
Mach dir über folgende Fragen Gedanken bzw. am besten direkt Notizen:
- Was sind deine Hobbies und Interessen? Wofür kannst du dich begeistern?
- Worauf konzentrierst du dich besonders, was verfolgst du aufmerksam und was findest du spannend?
- Bei welchen Ereignissen, in welchen Situationen benutzt du Formulierungen wie „am liebsten…“ bzw. „es wäre toll, wenn..“?
- Wann ist deine Stimme voller Energie und Leidenschaft? In welchen Momenten, bei welchen Tätigkeiten spürst du eine innere Wärme, Verbundenheit und Resonanz?
5. Stärken aus deiner Vergangenheit ableiten
Die letzte „Quelle“ die ich dir für deine Stärkenfindung mitgeben möchte, ist deine eigene Vergangenheit. Hinter der Art und Weise, wie du Probleme und Herausforderungen gemeistert hast, verbergen sich viele vielleicht bisher ungeahnte Ressourcen und Kraftquellen.
Nur „leider“ wenden wir solche Strategien meistens unbewusst an, weshalb es dir im ersten Moment sicherlich schwer fällt, konkret zu benennen und zu rekonstruieren, was du in bestimmten Momenten getan hast, um zum Beispiel ein Problem zu lösen oder eine herausfordernde Situation zu meistern. Was nicht heißt, dass sie weniger wertvoll sind. Wenn du dir deine damals eingesetzten Verhaltensweisen und Strategien mitsamt den dahinterliegenden Stärken bewusst machst, kannst du sie in der Gegenwart und Zukunft viel schneller und effektiver einsetzen.
Angenommen du machst dir immer eine Pro- und Contra-Liste, wenn irgendwelche schwierigen Entscheidungen anstehen. Du nimmst dir Zeit, dass Für und Dagegen abzuwägen und versuchst, ganz rational auf häufig emotional aufgeladene Situationen zu blicken. Dann würde ich auf Anhieb darauf tippen, dass du ein ausgeprägtes analytisches Denk- und Urteilsvermögen hast!
Ich würde dir außerdem empfehlen, gedanklich noch etwas weiter nach hinten in deine Kindheit zurückzureisen. Denn dort sind mit großer Wahrscheinlichkeit die Wurzeln deiner Stärken verankert. Versuche, dich an deine Sehnsüchte und Wünsche zu erinnern, die du als Kind hattest. Welchen Dingen, Aktivitäten, Verhaltenstendenzen bist du bereits als Kind nachgegangen? Was davon tust du heute noch, möglicherweise um einiges intensiver oder erfolgreicher als damals?
Vielleicht warst du als Kind bereits sehr anhänglich, unheimlich gerne unter Menschen und hattest/hast eine tiefe, innige Beziehungen zu deinen Eltern und deinen Freunden? Dann kann es sehr gut sein, dass dir die Fähigkeit zu stabilen, verbindlichen und liebevollen Bindungen erhalten geblieben ist und Bindungsvermögen eine Stärke von dir ist.
Dein letztes To-Do:
- Erinnere dich an mindestens zwei Situationen in der Vergangenheit, in denen du vor einer großen Herausforderung oder Hürde standest. Wie bist du mit diesem Problem umgegangen? Welche konkreten Schritte hast du unternommen und welche deiner Eigenschaften oder Talente haben dir dabei geholfen?
- Welche Wünsche, Ziele, Eigenschaften hast du aus deiner Kindheit mitgenommen? Gibt es konkrete Kindheitserinnerungen, die dir etwas über deine Stärken mitteilen können & wollen?
Ich hoffe sehr, dass dir diese 5 Denkanstöße und Wege dabei helfen, deine Stärken und Talente ausfindig zu machen. Idealerweise hast du Lust darauf bekommen, das in dir schlummernde Potenzial zu entdecken. Wenn du dich damit beschäftigst und dir dafür Zeit nimmst, wirst du überrascht sein, wie viele wunderbare Fähigkeiten und Qualitäten in jedem von uns schlummern – auch in dir. Ich wünsche dir ganz viel Begeisterung und Lebensfreude beim innerlichen Aufblühen und Stärken erkennen.
Lass mich unbedingt wissen, welche der Methoden dir am meisten geholfen hat und welche Erfahrungen und Erkenntnisse du beim Anwenden gesammelt hast.
Teile mit mir und dem Rest der community in den Kommentaren 5 deiner (wieder-) entdeckten Stärken.
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