Hier und Jetzt

Wo bist du gerade mit deinen Gedanken? Bist du wirklich vollkommen präsent im gegenwärtigen Augenblick? Oder hängt dein Verstand vielleicht in der Vergangenheit und in „was wäre, wenn…“ bzw. „hätte ich doch lieber…“-Schleifen fest? In letzter Zeit haben mich viele Nachrichten und Anfragen von meinen Lesern erreicht, die genau diese Problematik geschildert haben. Denen es schwer fällt, sich von Vergangenem zu lösen. Und die spüren, wie sehr genau das sie daran hindert, im Hier und Jetzt und mit ihrem aktuellen Leben zufrieden zu sein.

In diesem Artikel will ich dir zeigen, wieso dir Jeder erzählt, wie wichtig es ist, im Hier und Jetzt zu sein und wie genau das mit innerer Zufriedenheit zusammen hängt. Vor allem aber möchte ich dir einen praktischen Wegweiser an die Hand geben, mit dem du dich von Gedanken und Grübeleien über deine Vergangenheit endgültig befreien kannst. Denn wenn dieser Nebelschleier, der deine gegenwärtige Wahrnehmung trübt, erst einmal gelüftet ist, wirst du feststellen, wie wunderbar und erfüllt dein Leben bereits ist. Mit mehr Klarheit und Achtsamkeit für das Hier und Jetzt wird sich automatisch mehr von der inneren Zufriedenheit einstellen, nach der du dich sehnst.

Dein Glück liegt im gegenwärtigen Augenblick

Ich will zum Start eine beeindruckende Studie mit dir teilen, die sehr eindrucksvoll belegt, wie wichtig dieses „im Hier und Jetzt Sein“ wirklich ist.

Die Studie wurde vom Psychologen Matthew Killingsworth und seinen Kollegen der Harvard Universität durchgeführt. (Hier kannst du die Studie komplett lesen.) Ihr Ziel war es, die Zufriedenheit und die gedankliche Präsenz von Personen während des Tages zu ermitteln und eventuell vorhandene Zusammenhänge mit der Zufriedenheit dieser Personen aufzudecken.

Dafür wurden 2250 Studienteilnehmer*innen im Laufe ihres Alltags via Zufallsgenerator per App kontaktiert und befragt, in welchem „Bewusstseinszustand“ sie sich gerade befinden. Bestimmt fragst du dich jetzt, was mit Bewusstseinszustand gemeint ist. Lass mich dir die Antwortalternativen erklären, zwischen denen sich die Teilnehmer*innen entscheiden konnten. Sie konnten entweder angeben, dass sie

1.) ihren Gedanken nachgehen, d.h. quasi gerade abschweifen, ohne sich dessen bewusst zu sein (das bezeichnen wir im Fachjargon als Mind Wandering –sehr cooler Begriff wie ich finde)

oder aber, dass sie
2.) völlig auf die Tätigkeit fokussiert sind, der sie gerade nachgehen.

Außerdem ließen die Forscher die Probanden einschätzen, wie niedrig oder hoch ihr Glücks- bzw. Zufriedenheitsgefühl in diesem Augenblick war und welche Tätigkeit sie gerade in diesem Moment verrichteten.

Herausgekommen sind insbesondere zwei spannende Ergebnisse:

1. Fast die Hälfte unserer Zeit sind wir Menschen im Mind Wandering-Modus unterwegs, d.h. im Grunde in geistiger Abwesenheit

Ja, du hast richtig gelesen.

Krass, oder?

Ganze 47% der Zeit, in der du eigentlich „wach“ bist, verbringst du in einem Zustand, in dem du unbewusst Gedanken weiterverfolgst. In dem du über Dinge, Erfahrungen, Erlebnisse oder Fragen nachdenkst oder grübelst, die überhaupt nichts mit dem Hier und Jetzt zu tun haben. Welche konkreten Inhalte bei diesem Mind Wandering (also bei dem Abwandern deines Geistes) nach oben kommen, kannst du kaum willentlich beeinflussen.

Da dein Gehirn noch in der Steinzeit festhängt, konzentriert es sich insbesondere auf Negatives: auf potenzielle Gefahren, Angst und das Überleben. Heute geht es zwar nicht mehr ums eigentliche Überleben, aber dieser Negativ-Mechanismus ist dir bis heute erhalten geblieben. Und ist der Ursprung für deine negativen, sich scheinbar endlos wiederholende Gedankenspiralen, in denen vielleicht auch du manchmal hängen bleibst.

Wenn du beispielsweise durch die Fußgängerzone schlenderst, an dir eine bildhübsche Frau mit der perfekten Figur vorbeiläuft und unmittelbar Neid und Gefühle von Unzulänglichkeit in dir aufsteigen, die durch Gedanken wie „ich bin nicht schön/schlank/genug genug“, „ich werde niemals so gut aussehen“ hervorgerufen werden. In dem Zustand des Mind Wandering bist du nicht frei und geistig unabhängig.

2. Wenn dein Geist umherwandert, bist du unglücklicher. Oder anders ausgedrückt: Gedankliche Achtsamkeit und Aufmerksamkeit schenken dir innere Ruhe und Zufriedenheit

Das war die zweite wesentliche Erkenntnis aus der Studie. Wenn du in Gedanken hin und her schweifst und nicht im gegenwärtigen Moment bist, bist du automatisch unzufrieden. Und das laut der Forscher sogar dann, wenn du mit deinen Gedanken in Tagträumen, also in etwas Schönes abdriftest. Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass du dich glücklicher fühlst, wenn du mit dem, was du gerade tust, wirklich in Kontakt bist.

Dabei ist es relativ unerheblich, was du tust. Ob es sich dabei um deine Lieblingsaktivität handelt, dich zum Beispiel kreativ betätigst oder aber ganz simpel Haushaltsarbeit erledigst – wenn du wirklich aufmerksam bei der Sache bist, bist du fokussiert, konzentrierst und dadurch automatisch zufriedener.

Ich habe ein Video gefunden, in dem dir Matt Killingsworth höchst persönlich noch einmal kurz und knackig die wesentlichen Erkenntnisse der Studie zusammenfasst. Ich liebe diese Ted Talks einfach. Geballte Power an hilfreichem und nützlichem Wissen für deinen Alltag. Hör also auf alle Fälle mal rein.

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Was bedeutet das nun für dich?

Wenn dein Geist umherwandert, trägt das nicht dazu bei, dass du glücklich bist. Wieso? Weil er dann nicht mit der Gegenwart, mit dem Hier und Jetzt beschäftigt ist. Sondern entweder mit deiner Zukunft (dazu wird es bald noch einen eigenen Artikel geben. In dem ich dir zeigen möchte, dass dich Gedanken an deine Zukunft nicht ängstigen brauchen, sondern wie du sie voller Zuversicht und Vorfreude entsprechen deines glücklichen und erfüllten Lebens gestalten kannst.). Oder aber du bist mental mit deiner Vergangenheit beschäftigt – und darum soll es in diesem Artikel hier gehen.

Denn selbst wenn du in schönen Erinnerungen in der Vergangenheit schwelgst, bist du weniger glücklich als im Hier und Jetzt. Doch wie kann es dir gelingen, dein ganz persönliches vergangenheitsbezogenes „Mind Wandering“ in den Griff zu bekommen?

Denn du hast Recht: es ist eben leichter gesagt als getan, mit der Vergangenheit abzuschalten oder sich aus Grübelschleifen zu befreien. Ich will dir jetzt zeigen, wie das geht und wie du es schaffst, vollkommen im Hier und Jetzt präsent zu sein, dein Leben voll auszukosten und dadurch automatisch ruhiger, gelassener und innerlich zufriedener zu werden.

In der Vergangenheit festhängen – was dir da so im Kopf herumschwirrt

Die große Frage, die sich dabei stellt: wieso um alles in der Welt wühlst du gedanklich immer und immer wieder in deiner Vergangenheit, obwohl dir das alles andere als gut tut? Wenn du dir mal genauer anschaust, wie solche grüblerischen Gedanken beschaffen sind, wirst du merken, dass sie meistens wiederkehrend sind. Dass sie immer wieder um dasselbe Thema kreisen.

„Wie schön wäre es gewesen, wenn…?“

Lass mich dir an Beispielen verdeutlichen, wie du dir das vorstellen kannst und was ich konkret damit meine. Dass du dich ständig mit Vergangenem beschäftigst kann bedeuten, dass du dir selbst die Schuld für etwas gibst. Dafür, dass du zum Beispiel eine bestimmte Chance nicht genutzt hast oder zu irgendetwas nicht Ja (oder Nein) gesagt hast. Daraus resultieren kreisende Fragen, die in die „hätte-wäre-wenn“-Kategorie gehören.

Wie wunderbar könnte mein Leben jetzt aussehen, wenn ich mich damals getraut hätte, meinen Job zu kündigen?

In welcher glücklichen und erfüllten Beziehung würde ich jetzt sein, wenn ich den Mut gehabt hätte, einen Schlussstrich zu ziehen und mich von meinem Freund zu trennen?

Oder aber du trauerst wiederum dieser Entscheidung hinterher und bereust, dass du die Beziehung beendest hast und wünschst dir deinen Partner zurück.

Alles nur wegen…?

Vielleicht gibst du auch gar nicht dir selbst die Schuld, sondern einer anderen Person. Das kann auf körperlicher Ebene sein, wenn du durch jemand anderen schwer verletzt wurdest.

Hätte ich den Auto-/Fahrradunfall nicht gehabt, hätte ich jetzt keine langfristigen Probleme mit meinem Rücken/ beim Gehen.

Oder du gibst deinem Freund, der sich von der getrennt hat die Schuld daran, dass du dich mies fühlst. Oder dafür, dass du dich in den letzten Jahren wegen ihm beruflich zurückgenommen und dich nicht so sehr auf deine Karriere konzentrierst hast.

Vielleicht gibst du deinen Eltern noch die Schuld für das, was du aus deinem Leben gemacht oder auch nicht gemacht hast („Wenn ich andere Eltern gehabt hätte – was wäre dann alles möglich gewesen…“).

Oder aber du machst deinen „cholerischen und miesepetrigen“ Chef dafür verantwortlich, dass du beruflich in einer Sackgasse steckst. Und malst dir aus, dass du in einer ganz anderen Abteilung und Position wärst, hättest du doch nur einen unterstützenden und ermunternden Chef gehabt.

Du merkst an den Beispielen bereits, dass dieser Schuldaspekt eine ganz wesentliche Rolle spielt

Du schadest dir selbst am meisten, wenn du an solchen Schuldzuweisungen festhältst.

Egal ob du vorrangig dir selbst oder anderen Schuld zuschreibst – es hält dich so oder so gefangen und nimmt dir die Möglichkeit, in der Gegenwart konstruktiv damit umzugehen. Davon los zu kommen.

„Die sicherste Art, ein Problem zu behalten, ist die Schuldzuweisung.“
Louise L. Hay

Deshalb ganz wichtig im ersten Schritt: Führe dir vor Augen: Was gelaufen ist, ist gelaufen – vorbei ist vorbei. Du wirst heute, in der Gegenwart nichts mehr an der Tatsache ändern können.

Wenn du diesen Gedanken wirklich verinnerlicht hast, erkennst du, dass du sehr wohl beeinflussen kannst, wie du mit dieser abgeschlossenen Erfahrung oder diesem Ergebnis umgehen möchtest. Dass du eben nicht in der Opferrolle verharren musst und zulässt, dass dich deine Vergangenheit an deinem glücklichen und erfüllten Leben in der Gegenwart und Zukunft hindert.

Dafür musst du jedoch eines schaffen: loszulassen. Dich von Schuldzuweisungen, dir selbst und/oder anderen gegenüber zu befreien. Ich möchte dir nun praktische Aspekte und Tools zeigen, mit denen du genau diesen Schritt angehen kannst.

Komme deinen wiederkehrenden Gedanken auf die Schliche

Bevor du etwas loslassen kannst, musst du erst einmal wissen, was genau es loszulassen gilt. Und das ist gar nicht so einfach, herauszufinden. Denn wenn dieses vergangenheitsbezogene Mind Wandering bei dir stattfindet, wühlst du zwar in deiner Vergangenheit, aber du beschäftigst dich überhaupt nicht richtig damit. Denn du möchtest diese Gedanken ja eigentlich gar nicht wahrhaben, weil sie sich nicht gut anfühlen.

Du versuchst sie also ganz oft wegzudrücken und sie nicht zu haben. Was natürlich nichts bringt, denn die Gedanken sind und bleiben trotzdem da. In der Regel ist es sogar so, dass sich die Gedanken umso öfter und stärker in dein Bewusstsein schieben, je mehr du versuchst, sie zu unterdrücken.

Obwohl sie also immer und immer wieder kommen, hast du die Gedanken nicht bewusst wahrgenommen und durchdacht. Bevor du dich also von diesen „Störenfrieden“ verabschieden kannst, musst du sie zuerst einmal zulassen. Sie in ihrem gesamten Ausmaß wahrnehmen und da sein lassen. Bildlich gesprochen musst du ihnen zuerst einmal die Tür aufmachen, um dich dann als nächstes bewusst dafür entscheiden zu können, sie nach draußen zu schicken.

Deshalb hier die erste Aufgabe an dich: beobachte und nimm deine Grübelgedanken ganz bewusst und aufmerksam wahr. Zücke vielleicht sogar Papier und Stift und schreibe ganz konkret auf, was dir durch den Kopf geht. Die Betonung liegt hier auf AUFSCHREIBEN. Bitte tue mir und dir den Gefallen – denn auch wenn du denkst, dass du es doch genauso gut „nur denken“ kannst – eben nicht. Es ist ein meilenweiter Unterschied, wenn du die Buchstaben ganz klar aufgeschrieben vor dir siehst.

Schau deinen Gedanken direkt ins „Gesicht“

Überlege an dieser Stelle bereits, welche Beweggründe, welche Motive dahinter stecken. Welche Schuldzuweisung wem gegenüber drückt sich durch diese Gedanken aus? Welche Last schleppst du die ganze Zeit mit dir herum?

Überlege dann, was du brauchst oder tun musst, um diesen Gedanken wirklich gehen lassen zu können.

Vielleicht machst du dir selbst einen Vorwurf, noch nicht alles versucht zu haben, um mit dem Umstand, der Erfahrung oder was immer es ist, Frieden zu schließen.

Lass mich dir genauer erklären, was ich damit meine. Angenommen deine Beziehung läuft momentan nicht sonderlich gut. Dein Partner hat momentan beruflich viel um die Ohren, ist seit einem halben Jahr sehr viel unterwegs und ihr habt sehr wenig Zeit miteinander. Du merkst jedoch, dass sich mittlerweile mehr Baustellen angesammelt haben; du fühlst dich ihm überhaupt nicht mehr nahe. Auch er scheint dies zu bemerken und als er gefragt hat, ob irgendetwas nicht in Ordnung ist, hast du entgegnet, dass alles gut sei.

Du redest dir ein, dass es lediglich an der stressigen Phase liegt und dass sich alles wieder von alleine einrenken wird, sobald auch wieder ruhigere Zeiten aufkommen. Insgeheim weißt du jedoch, dass es noch mittlerweile wesentlich mehr bräuchte, um von deiner Seite wieder zu der erfüllten und glücklichen Beziehung zu kommen, die ihr einst hattet.

Anstatt das Ganze buchstäblich den Bach runterzulaufen, solltest du dich deshalb in diesem Beispiel und auch in allen anderen Situationen fragen:  

  • Gibt es etwas, was du selbst tun könntest und noch nicht versucht hast, um die Situation zu „retten“, zu verbessern?
  • Hast du etwas unversucht gelassen und bist dir diesbezüglich etwas schuldig geblieben?

Nur wenn du guten Gewissens zu dir selbst sagen kannst: „ich habe alles getan, was in meiner Macht steht“, wirst du dich von Zweifeln, Vorwürfen und schmerzhaften Erfahrungen lösen bzw. den nächsten Schritt machen können. Wenn es also etwas gibt, was du noch nicht versuchst hast, macht es Sinn, dich zu fragen, was es ist und wie du das angehen könntest.

Natürlich kann es auch sein, dass du bereits alles erdenkliche getan hast, dein Soll und sogar noch mehr erfüllt und investiert hast. Dann ist die Antwort auf die obigen Fragen ein eindeutiges und klares „nein“ und es geht im nächsten Schritt um das emotionale Hinwenden. Wie bei jedem Trauer-, oder Verlustprozess ist es ganz elementar, dass du dir Zeit nimmst.

Zeit um zu spüren, was da ist

Wichtig ist, dass du den hochkommenden Gedanken und Gefühlen Raum gibst. Was gilt es ganz konkret bei dir zu tun? Gibt es etwas zu betrauern?

Dann tu es! Lass deinen Schmerz zu und nimm dir Zeit, das Traurige zu sehen. Nur wenn du negative Gefühle zulässt (die genauso zum Leben gehören wie positive auch), kann es dir gelingen, sie zu überwinden.

Nehmen wir mal an, du machst dir den Vorwurf, dich zu früh von deinem Ex-Partner getrennt zu haben. Du fragst dich immer und immer wieder, ob ihr es nicht doch irgendwie hingekriegt hättet. Als du ihn dann letzte Woche mit seiner neuen Freundin gesehen hast, hat es dir einen ordentlichen Stich ins Herz versetzt. Anstatt die Gefühle jedoch zuzulassen, dir einzugestehen, dass dich das mächtig verletzt und du noch etwas für deinen Ex-Partner empfindest, stürzt du dich lieber von einem Date ins nächste. Und Überraschung: die liefen alle mehr schlecht als recht.

Das liegt natürlich viel weniger an den Männern selber, sondern an der Tatsache, dass du deinem verletzten Herz und deinen Eifersuchtsgefühlen nicht erlaubst, da sein zu dürfen. Erst wenn du etwas Schmerzhaftes als das anerkennst, was es ist, kannst du es hinter dir lassen. Daran schließt sich natürlich unmittelbar die Frage an?

Wie schaffst du es, etwas loszulassen?

Wenn du etwas hinter dir lassen möchtest, ist es wichtig, dich richtig von etwas zu verabschieden. Nicht umsonst gibt es Beerdigungen, die dir genau diesen Raum des Abschiednehmens und Trauern geben sollen.

Auch wenn es um Gedanken, Glaubenssätze oder Erfahrungen geht, kann es unheimlich hilfreich sein, einen bewussten Akt des Loslassens zu praktizieren. Dabei sind Rituale eine unheimlich hilfreiche und wirkungsvolle Möglichkeit.

Um die Steps bisher für dich nochmal zusammenzufassen:
1. Hinschauen, was es zu betrauern oder loszulassen gibt und dann
2. Aus diesem Prozess ein Ritual zu machen, welches dir dabei hilft.

Überlege, was am besten zu dir passt und mit welcher Art von Ritual du etwas anfangen kannst. Nachdem du das, wovon du dich trennen willst, auf einen Zettel geschrieben hast, könntest du ihn beispielsweise symbolisch im Garten anzünden. Oder auch ihn an einen Luftballon anbinden und ihn dann fliegen lassen. Ihn im Fluss wegschwimmen sehen und in kleine Schnipsel zerreißen. Etwas vergraben. Ganz egal, was du tust, schau einfach, was sich stimmig für dich anfühlt.

Gerade wenn du andere Personen für etwas verantwortlich machst oder aber auch dir selbst die Schuld für etwas gibst und dir Vorwürfe machst, gibt es noch einen ganz elementaren Baustein in der Loslassen-Geschichte, auf die ich noch eingehen möchte.

Ich spreche vom Vergeben.

Denn nur wenn du dir selbst oder anderen wirklich vergibst, bist du frei. Das Reach-Ritual ein wunderbar einfaches und unkompliziertes Tool. Es wurde vom Psychologen Everett L. Worthington entwickelt. (In diesem Buch hier kannst du alles, was ich dir jetzt vorstellen werde, ausführlicher nachlesen.)

Die 5 Buchstaben R-E-A-C-H stehen für 5 verschiedene Schritte, die du nacheinander ausführen sollst. Vielleicht hast du ja sogar direkt ein Szenario, eine Person im Kopf, welche/s dich sehr verletzt hat und an dem du gedanklich nach wie vor zu knabbern hast und festhältst. Oder aber einen Vorwurf, den du dir selbst gegenüber seit längerer Zeit hegst und pflegst. Falls du irgendetwas Passendes im Kopf hast, kannst du die kommenden einzelnen Schritte direkt gedanklich an deiner eigenen Vergebungssituation durchspielen.

R – Recall (Zurückrufen):

Rufe dir deinen Schmerz so sachlich wie möglich in dein Gedächtnis. z.B.: „Ich bin verletzt und enttäuscht, weil mich mein Partner angelogen hat.“ Oder „es tut wahnsinnig weh, meinen Ex mit einer anderen zu sehen. Ich habe nun umso mehr das Gefühl, ich hätte mich damals nicht von ihm trennen sollen.“

E- Empathie:

Versuche die Situation aus dem Blickwinkel des „Täters“ zu verstehen. Versetze dich in die Lage des anderen und denke an eine Situationskonstellation und Bedingungen, die das Verhalten des anderen plausibel gemacht haben. Z.B.: „Mein Partner wollte nicht, dass ich mich aufrege und hat versucht, einen Streit zu vermeiden.“ Oder dir selbst gegenüber (falls es dir schwer fällt Selbstmitgefühl zu empfinden, stell dir vor, du richtest mitfühlende Worte an deine beste Freundin): „Es ist vollkommen natürlich, dass dich das trifft. Er bedeutet dir schließlich immer noch eine Menge und ihr wart mehrere Jahre zusammen. Es war damals aber die richtige Entscheidung, dich von ihm zu trennen. Du hast dich in dieser Beziehung für lange Zeit nicht mehr wohl gefühlt.“

A – Altruistisches Geschenk der Vergebung:

Erinnere dich an eine Situation, in der dir verziehen wurde bzw. du dir selbst vergeben hast und spüre die Dankbarkeit, die du damals empfunden hast.

C – Commit (Sich festlegen):

Bekenne dich „öffentlich“ zur Vergebung. Schreibe beispielsweise einen Verzeihungsbrief oder verabschiede eine Art Vertrag bzw. Abmachung mit dir selbst, die du schriftlich festhältst. Z.B.: „Hiermit habe ich mich dazu entschlossen, meinem Partner seine Lüge zu vergeben.“ Oder aber „…damals den Schlussstrich gezogen zu haben. Es war die richtige Entscheidung, auch wenn ich gerade emotional verletzt bin. Ich erlaube mir, dieses Gefühl zuzulassen.“

H – Hold on to forgiveness (Festhalten an der Vergebung):

Wenn die Situation und deine Verletzung wieder hochkommt, erinnere dich ganz bewusst an dein Bekenntnis. Vergebung bedeutet nicht, eine Erinnerung zu verdrängen oder auszulöschen, sondern sie anders zu bewerten. Du hast dich aus gutem Grund und bewusst dafür entschieden, der Person bzw. dir selbst zu verzeihen und geduldig mit dir zu sein.

Sage ganz klar STOP

Wenn dir also auffällt, dass du in alte, vergangenheitsbezogene Denkmuster verfällst, dann stoppe dich. Sage dir ganz bewusst „STOP, dieser Gedanke hilft mir nicht weiter. Er trägt nicht zu meiner inneren Zufriedenheit bei.“.

Schließe dann deine Augen und verbinde dich ganz bewusst mit Dingen, die dich diesem Zufriedenheitszustand näher bringen.

Was fast immer hilft ist Dankbarkeit.

Dankbarkeit katapultiert dich im Handumdrehen ins Hier und Jetzt und auf ein ganz anderes Wohlbefindensniveau. Wenn du dir die Frage stellst und beantwortest, wofür du ganz persönlich dankbar bist, für welche Personen, für welche Erinnerungen, Erfahrungen, für welche Umstände, für welche Groß-, Kleinigkeiten und „Selbstverständlichkeiten“ und darauf Antworten (er-)findest, kannst du gar nicht mehr NICHT glücklich und erfüllt sein.

Ein weiterer Ansatzpunkt: die Frage nach dem Sinn

Ich habe dir bereits in einem anderen Artikel erklärt, welch eine große Rolle die Frage nach dem Sinn für dein glückliches und erfülltes Leben spielt. Wenn du das, was du tust und wie du es tust als sinnhaft ansiehst, gibt dir das einen unheimlichen Wohlbefindens- und Energieschub. Es werden ungeahnte, in dir schlummernde Kräfte frei und du bemerkst erstmal, was alles in dir steckt und zu was du fähig bist. Diese Selbstaktivierungs- und Selbstheilungskräfte der Sinnhaftigkeit kannst du auch dazu nutzen, um etwas loszulassen und dich von deiner Vergangenheit zu befreien,

Wie?

Indem du dich fragst, welchen Sinn du dieser Erfahrung geben möchtest. Denn Sinn in etwas zu sehen ist nicht abhängig davon, wie dein Erlebnis im außen oder im innen beschaffen ist. Er ist nicht an bestimmte Inhalte oder Tätigkeiten geknüpft – es gibt nichts, was per se sinnlos oder voller Sinn ist. Du bist es, der dieses Gefühl jederzeit aktiv heraufbeschwören kann.

Ich bin der festen Überzeugung dass in jeder Erfahrung, in jedem Gedanken, insbesondere wenn er dir wiederkehrend vor die Füße geworfen wird, enormes Wachstums- und Weiterentwicklungspotenzial steckt. Auch wenn es für dich selbst schwer zu sehen und entdecken ist.

Frage dich deshalb gerade bei Erfahrungen, die du dir nicht ausgesucht hast, die objektiv furchtbar und total sinnlos waren:

  • Welchen Sinn möchte ich dieser Erfahrung geben?
  • Was kann ich daraus lernen – über mich, über andere, über das Leben?
  • Welche meiner Fähigkeiten, Stärken Talente durften durch diese Erfahrung wachsen?

Manchmal ist es die Erkenntnis, wie wichtig es ist, dir selbst Mitgefühl und Liebe entgegenzubringen. Zu würdigen und anzuerkennen, das du etwas schwieriges durchgestanden und erlitten hast. Manchmal ist es Mut, den du dadurch gewonnen hast. Den Mut, für dich selbst einzustehen. Oder aber festzustellen, dass es gar nicht schlimm ist, Schwäche zu zeigen. Über deinen Schatten zu springen und andere um Hilfe zu bitten.

Deine Zufriedenheit im Hier und Jetzt stärken

Um deine Zufriedenheit im Hier und Jetzt zu steigern, reicht es aber oft nicht aus, dass du Frieden schließt mit der Vergangenheit. Sondern dass du der Gegenwart mehr Zeit und Raum einräumst.

Im Großen bedeutet es, dass du regelmäßig reflektierst, schaust, wo du stehst. Und dich fragst, was du JETZT anders machen kannst, falls du unzufrieden bist, um dich so zu fühlen wie du es möchtest. Im Kleinen geht es darum, dir aktiv Zeit zu nehmen für die Bandbreite an Erfahrungen, die das Leben jeden Tag aufs Neue für dich bereithält. Positive und negative. Dir zum Beispiel bewusst Raum für Freude- und Genussmomente schaffst oder deinen Blick auf das Positive richtest.

Ups… das war schon wieder ein ganz schön langer Artikel. Ich hoffe, dass du viel für dich selbst daraus mitnehmen konntest. Lass mich unbedingt wissen, welche Aspekte für dich besonders hilfreich waren.

Wie war es für dich, dich deinen Gedankenspiralen zu stellen und ihnen auf den Grund zu gehen?

Welches Ritual möchtest du dir ganz persönlich zulegen, um dich von Gedanken an die Vergangenheit zu verabschieden?

Natürlich bin ich auch total neugierig, ob dein eigenes Ritual oder auch das Reach-Vergebungsritual bereits ausprobiert hast, und welche Erkenntnisse du für dich selbst gewinnen konntest. Ist das ein hilfreiches Tools für dich?

 

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